Schön gebraucht

Die Modeausstellung „Hollywood am Tiber“ bietet Kunst statt Konsum und tut sehr erwachsen. Ein Erlebnisbericht

Wer schöne Kleider sehen möchte, muss nicht unbedingt zu KaDeWe, Peek & Cloppenburg oder ins Quartier 206 gehen. Armani satt gibt es zum Beispiel immer noch in der Neuen Nationalgalerie. Ausstellungen mit schönen Kleidern haben den Vorteil, dass man im Museum nicht auf den Gedanken kommt, die Kleider, die einem gefallen, auch kaufen zu wollen. Während einem das in einem Laden wie KaDeWe doch ständig passiert. Ich erinnere nur dieses entzückende kleine, weiße Blüschen von Van Laak, das statt 300 Eiern jetzt nur noch 150 kostet! So etwas kann Albträume verursachen. Vor allem der gemeinen taz-Redakteurin, geschlagen mit einem absolut hundsgemeinen taz-Gehalt. Erschwerend kommt hinzu, dass man als schon ergraute Dame mit Kleidergröße 36 dann doch immer in Läden endet, die nicht Peek & Cloppenburg heißen, die dafür aber mit HipHop aufwarten und achtjährigen Verkäuferinnen (jedenfalls aus meiner Perspektive).

Um das Ganze also weniger konsumistisch, dafür mehr kulturell zu gestalten – kurz: etwas erwachsener –, habe ich mich kürzlich zu einer Führung durch die Ausstellung „Hollywood am Tiber. Italienische Mode 1950–1980“ in der italienischen Botschaft angemeldet. Genauer gesagt war das zwei Tage nachdem der EU-Ratspräsident, Herr Berlusconi, einen deutschen SPD-Europaparlamentarier zum KZ-Aufseher in einer italienischen Spielfilmproduktion machen wollte. Und selbstverständlich kam es dann so, wie es kommen musste. Am Ende hörte ich mich sagen: „Und wenn ich das jetzt Scheiße finde, muss ich dann ins KZ? Wache schieben?“ Da war der kleine Bauarbeiter, der mich bewachte, damit ich keinen unbeobachteten Schritt in der Eingangshalle des italienischen Kulturinstituts in der italienischen Botschaft tue, dann doch beleidigt.

Aber ich bin nun mal eine 1. ungeduldige Person, die es 2. nicht besonders liebt, im Pulk zu gehen. Und weil 3. angekündigt wurde, der Aufzug funktioniere zur Abwechslung, hatte ich, nach ausgiebiger Betrachtung all der schönen Kleider, die Chance ergriffen, mich von meiner Besichtigungsgruppe zu entfernen und dem Ausgang zuzustreben. Was ich freilich nicht durfte, wie mir der kleine Bauarbeiter mitteilte, der mich wieder nach oben zum Rudel führen sollte. Wogegen ich naturgemäß hartnäckigen Widerstand leistete, auch nach der zehnten Aufforderung.

Vielleicht passe ich ja doch ganz gut in Läden mit Lolita-Verkäuferinnen, die zu HipHop die Hüften wiegen? Obwohl mir diese Ausstellungsführung eine Warnung hätte sein sollen: Soooo erwachsen hatte ich mir die Sache dann doch nicht vorgestellt. Das runde Dutzend anderer Damen und die drei Herren, die ebenfalls in die Ausstellung im dritten Stock wollten, waren jedenfalls sämtlich über 50 Jahre alt. Naja, der eine Herr vielleicht nicht, aber er gehörte zu der Sorte Mann, die schon mit 30 alles daran setzen, wie 50 auszusehen. Einige der Kleider waren übrigens auch schon 50 Jahre alt, wie der Titel der Ausstellung ja sagt. Sie hatten sich aber wesentlich besser gehalten als die Mehrzahl der gleichaltrigen Damen und Herren. Obwohl: Ein kleines Schwarzes von Bellenghi, um 1960 gefertigt, zeigte ausgebleichte Schweißränder am Ärmelausschnitt.

Und das war nun das wirklich Überraschende, Schöne und Frivole an dieser kleinen, bunten Ausstellung, die Armani um Längen schlägt: Die Kleider sind alle getragen, und so lässt sich der Umstand, dass eine der Leihgeberinnen, nämlich Donna Marella Agnelli Caracciola di Castageneto, Torino, eine eher große und stattliche Dame ist, unschwer an ihrem Valentino von 1990 erkennen. Überhaupt muss man diese Ausstellung allein schon um der Namen der Leihgeberinnen und Sammlerinnen willen besuchen: etwa wegen der Duchessa Lydia Sforza Cesarini, der Marchesa Teresa Patrizi Montoro Frescolbaldi oder der Contessa Maria Sanminiatelli Odescalchi, alle in Roma beheimatet. Daneben wirken die Namen der Filmstars Esther Williams oder Ava Gardner, die die Kreationen von Roberto Capucci oder der Schwestern Fontana trugen und die den zweideutigen Ausstellungstitel „Hollywood am Tiber“ rechtfertigen sollen, doch sehr banal. BRIGITTE WERNEBURG

Bis 13. 7., tgl. 18–19 Uhr, Hildebrandstr. 3, telefonische Anmeldung 26 99 41 10