Braver Parteisoldat mit verbalen Ausfällen

Italiens Staatssekretär für Tourismus, Stefano Stefani, macht mit seiner „Kenntnis über die Deutschen“ Schlagzeilen

Hätte man vor einer Woche in Rom eine Straßenumfrage zu Stefano Stefani gemacht – man hätte von den Passanten durch die Bank wohl nur Schulterzucken und fragende Blicke geerntet. Vollkommen unbekannt war der Lega-Politiker, bis er jetzt – unter dem Titel: „Ich kenne sie, die Deutschen“ – mit seinen Ausfällen gegen die „stereotypisierten Blonden“ die deutschen wie die italienischen Schlagzeilen eroberte, ja es sogar bis auf die Fernsehschirme schaffte.

Zu sehen gab es da einen jovialen älteren Herrn mit rundlichem Gesicht, der die ganze Aufregung gar nicht verstehen konnte – und sich deshalb auch nicht entschuldigen mochte. Bloß „einige“ Deutsche habe er gemeint, Martin Schulz zum Beispiel, so interpretierte er flugs seinen Artikel im Lega-Nord-Parteiblättchen La Padania um.

Hätte er sich entschuldigt, so hätte er wohl schwer Ärger mit seinem Parteichef Umberto Bossi bekommen. Der macht seit Jahren systematisch Politik mit übelsten Ausfällen gegen alle Feinde des braven, arbeit- und sittsamen „Padanien“, der imaginären Nordrepublik, die die Lega gern errichten würde.

Eben dieses Padanien vertritt Stefano Stefani, der 20 Jahre lang mit einer Frankfurterin verheiratet war und mit ihr drei Kinder hat, würdig. Er stammt nicht aus dem verhassten Politikbetrieb, in den er dank Bossi erst spät fand. Nach der Volksschule machte der 1938 im nordostitalienischen Vicenza Geborene seine Goldschmiedlehre, arbeitete sich brav nach oben und wurde schließlich Chef seines eignen Betriebs, der „Stefano Stefani srl“, die ihre Klunkern heute bis in die USA exportiert.

Schon 1978 wurde Stefanis Schaffenskraft vom damaligen Staatspräsidenten honoriert; der Juwelier bekam den Orden „Ritter der Arbeit“. Lieb gewann er den italienischen Staat trotz dieser Auszeichnung nicht. Als Umberto Bossi in den Achtzigerjahren damit begann, den Norden des Landes mit Pöbeleien gegen das „diebische Rom“ und die „faulen Süditaliener“ rebellisch zu machen, war auch Stefani bald dabei, wie so viele seine Unternehmerkollegen.

Mancher der Mitstreiter Bossis brachte es zu Prominenz neben dem Parteichef, Stefani dagegen arbeitete brav in den hinteren Reihen. 1994 wurde er zum ersten Mal ins Parlament gewählt. Dort fiel er nicht weiter auf. Und auch als er in der Regierung Berlusconi zum Staatssekretär im Wirtschaftsministerium mit Zuständigkeit für den Tourismus berufen wurde, nahmen bestenfalls Skifreunde von ihm Notiz. Der Skisportler Stefani nämlich legte sich dafür ins Zeug, dass die Pistensicherheit verbessert wird.

Hinter den Kulissen aber war er immer einer der ganz treuen Parteisoldaten. Bossi belohnte ihn, indem er ihn zum Präsidenten der Lega Nord wählen ließ, und Stefani dankte mit Ergebenheitsadressen an den Chef, den genialen Erfinder des „padanischen Projekts“, der dem Norden Italiens endlich seine Identität zurückgegeben habe.

Doch er blieb eine Lokalgröße: Vor zwei Monaten schickte ihn die Lega als Bürgermeisterkandidat in Vicenza ins Rennen. Nun ist Stefani in aller Munde, doch seinen Job in der Regierung wird er wohl kaum verlieren. Bei aller Distanzierung von seinen Äußerungen hat keine der anderen Koalitionsparteien nach seinem Rücktritt gerufen.

MICHAEL BRAUN