EU: DAS DEUTSCHE GELD UND DIE VERBOTENE STAMMZELLENFORSCHUNG
: Die Parteien müssen europäisch werden

Kann das wirklich wahr sein? Deutsches Steuergeld wird in der EU für die Arbeit an Stammzellen ausgegeben, die in Deutschland verboten ist? Doch, es kann sein. Und es ist noch nicht einmal der viel zitierte Moloch Brüssel, der meint, den Deutschen Vorschriften machen zu müssen. Nein, die EU-Länder selbst haben sich 1997 entschieden, ihre Forschungspolitik gemeinsam festzulegen.

Entscheidend ist ein anderer Aspekt: Über die Forschungspolitik und damit eben auch über die jetzt diskutierte Stammzellenforschung wird nicht einstimmig, sondern mit Mehrheit entschieden. Und solche Mehrheitsentscheidungen wird es künftig in immer mehr Bereichen geben. Das heißt: Griechen oder Finnen bestimmen mit, wofür deutsches Geld ausgeben wird. Mehrheitsentscheidungen bedeuten immer auch den Verzicht auf ein Stück nationaler Souveränität.

Darauf ist die deutsche Politik nicht vorbereitet. Die Bundesregierung nicht, die noch immer kein Europaministerium zur besseren Durchsetzung deutscher Interessen in Brüssel geschaffen hat, und schon gar nicht der Deutsche Bundestag. Zwar ist es den Abgeordneten in letzter Minute gelungen, den Stammzellen-Beschluss der Kommission zu beeinflussen. Meist sind sie aber mit komplexen EU-Themen überfordert. Als Ausweg aus dem durchaus wahrgenommen Bedeutungsverlust der deutschen Politik wird in Berlin gern die Rückübertragung von Kompetenzen vorgeschlagen. Die Realität jedoch zeigt, dass selbst in einem Bereich wie der Bildung, für die die EU bisher kaum zuständig ist, immer häufiger EU-weite Standards – etwa für den Zugang zu Universitäten – gefordert werden.

Wenn nationale Parlamente immer weniger Einfluss auf EU-Entscheidungen haben, bleibt nur ein Weg: der Ausbau der Rechte des Europaparlaments. Dies erfordert zuerst den Aufbau von europäischen Parteien. Belgische, deutsche und polnische Konservative müssen miteinander etwa über Stammzellenforschung diskutieren und sich auf programmatische Aussagen einigen. Bis zur Europawahl 2004 ist das nicht zu schaffen. Doch 2009 muss es so weit sein. SABINE HERRE