Schluss mit Zwang bei Schornsteinfegern

Wirtschaftsminister empfehlen, das Kehrprivileg der schwarzen Glücksbringer aus der braunen Zeit zu beenden

BERLIN taz ■ Regelmäßig kommt er, und angeblich bringt er Glück – der Schornsteinfeger. Meist kündigt er sich ein paar Tage vorher mit Zetteln im Briefkasten an. Darauf steht „Hallo, Ihr Schornsteinfeger kommt!“ oder ähnlich Befehlsartiges. Für Häuschenbesitzer bedeutet dies zunächst ein wenig Organisationsaufwand. Passt der vom Feger vorgeschlagene Termin nicht in das eigene Programm, muss ein neuer gefunden werden. Im schlimmsten Fall kann schon mal ein Tag Urlaub draufgehen.

Kommt der Schornsteinfeger, kehrt er nicht nur den Kamin – auch wenn darin wegen einer modernen Öl- oder Gasheizung nur wenige Rußpartikel zu finden sind. Er misst auch die Konzentration der Schadstoffe, die beim Heizen entstehen. Das ist sinnvoll; schließlich werden die Abgasnormen – ähnlich wie beim Auto – von Zeit zu Zeit verschärft, um alte, umweltschädliche Gerätschaften aus dem Verkehr zu ziehen.

Aber braucht es dafür einen Schornsteinfeger, der sein Gebietsmonopol einem Gesetz aus dem Jahr 1935 verdankt? Damals hatten die Nazis das Land in tausende kleiner Schornsteinfegerbezirke aufgeteilt, in denen jeweils ein volkstreuer Handwerker die Aufsicht über die Brennanlagen der Häuser hatte. „Kehrarbeiten dürfen nur vom Bezirksschornsteinfegermeister oder deren Gesellen durchgeführt werden“, heißt es im Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich.

So wie damals die Nazis die Lufthoheit über sämtliche Schlote und Häuser wollten, so anachronistisch sind heute die Gebietsschornsteinfeger, die jährlich mehr als 1 Milliarde Euro Gebühren einnehmen. Wessen Schornstein verrußt ist, soll ihn fegen oder einen bestellen, der sich aufs Kehren versteht. Auch die Messung der Abgas- und Schmutzwerte könnte – wie beim Auto – jeder zertifizierte Handwerksbetrieb übernehmen.

Dass das Schornsteinfegermonopol nicht mehr zeitgemäß ist, haben nun auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement und die Wirtschaftsminister der Länder erkannt, die sich seit gestern zur halbjährlichen Wirtschaftsministerkonferenz in Potsdam versammelt haben. Unter Top 6.2 verhandeln sie heute die „Aufhebung des Kehrmonopols für Schornsteinfeger“.

Für diese Beratung hat Baden-Württemberg vier Szenarien vorbereitet, wie die Schornsteinfegerei künftig gehandhabt werden könnte. Problematisch an der kompletten Abschaffung des Kehrmonopols ist vor allem die Überwachung der Überwachung. Die Daten, welches Heizgerät der Umweltüberprüfung standgehalten hat, müssen irgendwo gesammelt werden, auch wenn jeder Heizungsmeister ein entsprechendes Zertifikat ausstellen könnte. Dies übernehmen bislang die Schornsteinfeger. Betraute man damit etwa die Gemeinden, entstünde neuer bürokratischer Aufwand. Ein Vorschlag ist deshalb, die Gebäudeversicherer mit der wichtigen Aufgabe zu beauftragen.

Beschließen können die Wirtschaftsminister der Länder eine Aufhebung des Kehrmonopols für Schornsteinfeger allerdings nicht. Aber sie können den Bund damit beauftragen, die entsprechenden gesetzlichen Regelungen zu ändern. Worauf sich die Minister heute einigen, ist unklar. Abzusehen ist aber, dass das Monopol der Schornsteinfeger in seiner heutigen Form keine Zukunft hat.

Vielleicht finden Häuslebauer unter den vielen Werbezetteln in ihrem Briefkasten schon bald die Offerte einer Heizungsfirma oder eines ehemaligen Schornsteinfegers: „Haben Sie schon die diesjährige Untersuchung Ihrer Heizung vornehmen lassen? Ihr Fachbetrieb unterbreitet Ihnen ein schnelles und preiswertes Angebot. Termin nach Vereinbarung. Auch abends und am Wochenende.“ RICHARD ROTHER