Beschirmherrter Ringelpietz

Heute beginnt „Europride“, des Kontinents größtes Event der besonderen sexuellen Präferenz, in Hamburg. Abseits von Partys und Parade verstärktes Nachdenken über den Stand der Dinge

von Alexander Diehl

Heute Abend beginnen mit einer einschlägig besetzten Gala an der Reeperbahn – es treten unter anderem Lilo Wanders und Wilhelm Wieben auf – die Großfeierlichkeiten des diesjährigen 11. „Europride“. Bis zum 13. Juni wird Hamburg Schauplatz für Europas selbst erklärt größtes Event zur Feier des Christopher Street Day (CSD), und die Veranstalter rechnen mit gut einer halben Million Besucherinnen und Besucher bei Filmprogrammen und unzähligen Partys, deutlich weniger Diskussionsveranstaltungen und natürlich der „politischen Parade“ am 12. Juni.

Mindestens ebenso stolz ist man darauf, Hamburgs Ersten Bürgermeister Ole von Beust (CDU) als Schirmherren gewonnen zu haben. Und der ließ es sich auch nicht nehmen, im Vorfeld vom Ruf der toleranten und weltoffenen Metropole zu sprechen, den gerade die internationalen Besucher in die Welt trügen. In etwa die Worte übrigens, mit denen von Beust vor längerem die Organisatoren des etwas anders gelagerten Taizé-Jugendtreffens begrüßte. So weit, so Standortsicherung.

Dass der Christopher Street Day (CSD), die institutionalisierte Feier schwul-lesbischen Selbstbewusstseins und das lautstarke Einfordern bestenfalls auf dem Papier gewährter Rechte, „irgendwie politisch“ ist, darüber dürfte indes kein Zweifel bestehen. Ob aber die Positionen, die dabei vertreten werden, sich parteipolitisch eindeutig verorten lassen, also manche etablierte Partei naturgemäß mehr an der Sache der Homosexuellen interessiert ist? Spätestens mit einem geouteten CDU-Bürgermeister scheint es evident: Die alte Formel „Rot-Grün für den Fortschitt, Schwarz-Gelb für Stillstand – das war einmal“, wie das Hamburger Szenemagazin Hinnerk dieser Tage schrieb. (Nichtsdestotrotz machen etwa Hamburgs Schwusos bei der Europride-Parade mit, die Junge Union dagegen zeigt lieber beim Techno-Auflauf „G-Move“ Präsenz.)

Vielleicht sahen sich die Veranstalter der queeren Großveranstaltung ja auch dadurch herausgefordert, die politische Dimension zur Geltung kommen zu lassen: Wenn das Europride-Motto 2004 „Love Breaks Barriers“ laute, dann gehe es da um real existierende Probleme: In etlichen EU-Neumitgliedsländern etwa ist es um die Akzeptanz gegenüber queerer Lebensweise noch reichlich schlecht bestellt. Vor solchem Hintergrund erlangt dann auch die bloße Zurschaustellung von schrillen Outfits und knutschenden Angehörigen des gleichen Geschlechts eine ganz andere Brisanz.

Wenig mehr indes als eine kommerzielle Sause und, nicht zuletzt, die Bestätigung von gesamtgesellschaftlich eingeführten Ausschlussmechanismen sehen die Männer und Frauen hinter „Allein unter Homos“ im Europride-Trubel. Als lose Struktur kamen sie zusammen, um dem beschirmherrten Ringelpiez Inhaltliches entgegenzusetzen. Auch wenn am Europride „nicht alles Pfui ist“, sagt Patrick aus einer der beteiligten Gruppen, könne es doch nicht darum gehen, um jedes Kompromisses willen den Weg in die gesellschaftliche Mitte zu machen. „Mich interessiert die Homo-Ehe nicht.“

Auch bei „Allein unter Homos“ würden Partys gefeiert – aber das eingenommene Geld werde beispielsweise an solche Projekte gespendet, denen der Senat Ole von Beusts die dringend nötigen Zuschüsse gestrichen habe.