Böse Überraschungen

Freispruch für Hamburger Hafenarbeiter, der seine 16-jährige Ex-Freundin mit Nacktfotos erpresst haben soll

HAMBURG taz ■ Die Geschichte ist nicht glaubhaft, die Zeugin nicht glaubwürdig“, bringt Amtsrichter Klaus Tempke die Gründe für den Freispruch auf einen Nenner. Die Zeugin, das ist die heute 17-jährige Auszubildende Claudia V. und ihre Geschichte lautet so: Ihr Ex-Freund, der Hafenarbeiter Stefan A., soll ihr mit der Veröffentlichung eines von ihr heimlich geschossenen Nacktfotos im Internet und auf Plakaten gedroht haben, wenn sie ihm nicht monatlich zwischen hundert und dreihundert Euro übergeben würde.

Sechsmal will die Zeugin in der ersten Hälfte des Jahres 2003 gezahlt haben, bevor sie auf Drängen ihrer Eltern die Polizei informierte. Die stellte Stefan A. eine Falle, inszenierte eine Geldübergabe im Stadtpark und griff zu. Die Staatsanwaltschaft verfasste eine Anklage wegen räuberischer Erpressung, die sie jedoch später zur einfachen Erpressung umwandelte.

Der Angeklagte hat eine andere Version anzubieten. Vor dem observierten Stadtpark-Treffen habe es weder Geldübergaben noch ein Nacktfoto gegeben. Seine Ex-Freundin, mit der er noch Kontakt gehabt habe, hätte ihn telefonisch zum Planetarium beordert mit dem Hinweis, sie habe „eine Überraschung für ihn“. Dann habe sie ihm den Umschlag mit dem Geld in die Hand gedrückt und noch bevor er die Situation irgendwie einordnen konnte, hätten bereits die Handschellen geklickt. Eine Überraschung der besonderen Art.

Keiner der Prozessbeteiligten scheint sicher, welche Geschichte näher an der Wahrheit liegt. Doch da die vermeintlich Erpresste bei der Polizei von mehreren Nacktfotos geredet hatte, in der Verhandlung aber stets von nur einem Bild spricht, wird Tempke im Urteil auf „Ungereimtheiten bei der Darstellung des Kerngeschehens“ hinweisen. Auch warum sie im März 2003, zum Zeitpunkt der behaupteten Erpressung, mindestens 48-mal mit Stefan A. telefonierte, kann Claudia. V. nicht erklären.

Zudem tauchen in ihrer Aussage zwei denkbare Motive für eine Falschbelastung auf: Die Eltern der Auszubildenden kontrollierten die Kontoauszüge ihrer Tochter, sodass diese sich möglicherweise gezwungen sah, ihre Ausgaben nicht ganz wahrheitsgemäß zu begründen. Mögliches Falschbelastungs-Motiv Nummer zwei: Auch Stefan A. hatte Claudia V. schon einmal überrascht: An ihrem 16-ten Geburtstag hatte er die Beziehung telefonisch beendet, weil er eine andere hätte. Marco Carini