Klassen werden vollgestopft

Bildungsbehörde gibt größere Richtwerte für Schulklassen zu. Massive Erhöhung bei den Hauptschulen. Sparmaßnahme angeblich schon seit August 2003 gültig. Bürgerschaft nicht informiert: Haushaltsplan nennt niedrigere Zahlen

von KAIJA KUTTER

Gute Nachrichten gab es gestern für die Meiendorfer Grundschule Schierenberg, sie darf nun doch zum neuen Schuljahr wenigstens eine 1. Klasse bilden. Nicht so gute Nachrichten gab es für die übrigen Hamburger Schulen, die um ihr Überleben bangen. Denn wie jetzt aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD hervorgeht, hat die Behörde intern längst neue Richtwerte für größere Klassen festgelegt, die deutlich über den bisher gültigen „Orierungsfrequenzen“ liegen (siehe Kasten).

Denn diese, so heißt es in der Antwort des Senats, sei bereits mit der Schulgesetzänderung in 2003 durch eine höhere „Organisationfrequenz“ ersetzt worden. Was „seltsam“ ist, wie die SPD-Abgeordnete Britta Ernst moniert, denn der Haushaltsplan 2004 nennt nur die alten Werte. Eine offizielle Bekanntgabe der neuen Richtgröße gab es nie. Schulleiter berichten lediglich, dass ihnen im Herbst „sowas“ angekündigt wurde, „was dann aber Gott sei Dank nicht kam“, wie ein Rektor erinnert.

Werner Stolpe vom Verband der Schulleiter sind Organisationsfrequenzen „zwar ein Begriff“, jedoch nur als „Obergrenze, bis zu der wir eine Klasse höchstens aufstocken dürfen“. Hatte doch Ex-Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) vor einem Jahr mit seinen „Basisfrequenzen“ lediglich das Schüler-Lehrer-Verhältnis festgelegt – und abgesenkt –, ohne an eine Obergrenze zu denken.

Doch wie der Senat jetzt erklärt, sollen die Organisationsfrequenzen „regelmäßig“ die Schülerzahl bestimmen, die zur Bildung einer Klasse erforderlich ist. Aus der angefügten Tabelle geht gar hervor, dass diese Werte „seit dem 1.8.2003“ gültig seien. „Da ist damals eine verschleierte Einsparung gelaufen“, schlussfolgert Britta Ernst. Insider halten es auch für denkbar, dass Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) die Obergrenze umdefiniert hat. Sie hatte ja auch kürzlich die „Basisfrequenzen“ um ein bis zwei Schüler pro Schulform erhöht und damit die Schüler-Lehrer-Relation verschlechtert.

Die Anhebung der Werte scheint für sich genommen gering. Sie muss jedoch im Kontext der übrigen Einsparungen von 2002, 2003 und jetzt auch noch 2004 gesehen werden, die beispielsweise für Grundschüler einen Verlust von acht Prozent der Lehrerstunden ausmachen.

Sie bedeutet aber auch, dass die Behörde eine Schule schließen kann, wenn nicht mindestens zwei mal 27 Kinder für zwei Klassen angemeldet sind. Gymnasialklassen müssen gar regelhaft 29 Schüler haben, Realschulen 27. Als „absoluten Wahnsinn“ bezeichnet ein Schulleiter die neue Vorgabe für die Hauptschulen: „Mit 25 Schülern pro Klasse können wir unsere Hauptschüler nicht unterrichten.“

Eine gute Nachricht hatte gestern Behördensprecher Alexander Luckow: Eine nochmalige Erhöhung der Organisationsfrequenzen „ist nicht nötig“. Dies kann Schulleiter Stolpe nicht glauben. Müsste doch bei den neuen Basisfrequenzen bereits eine Grundschulklasse 28 Schüler haben, um die pädagogisch nötige Grundstundentafel von 31 Wochenstunden zu erhalten. Mit den neuen Werten, vermutet Stolpe, werde wohl so umgegangen wie mit der Orientierungsfrequenz: „Wir mussten sie immer um zehn Prozent überschreiten, um planen zu können.“