Doppelt gehärtet

Zwischen Metallerchef Zwickel und seinem Vize Peters herrscht ein „haarsträubendes Klima“

aus Frankfurt am Main THILO KNOTT

Sie kamen getrennt, und sie gingen getrennt. Als Klaus Zwickel und Jürgen Peters am Dienstag kurz vor 9 Uhr den Großen Sitzungssaal in der Frankfurter Gewerkschaftszentrale betraten, würdigten sie sich keines Blickes – obwohl sie nebeneinander Platz nahmen. Über 13 Stunden später, um 22.15 Uhr, gaben der Chef der IG Metall und sein Stellvertreter getrennte Pressekonferenzen. Zuerst Zwickel. Dann Peters. Sie gingen aneinander vorbei, aber sie begegneten sich nicht.

Die Ausführungen Zwickels in seinem Teil der Pressekonferenz lesen sich dann auch wie das Protokoll einer Verweigerung. Der Verweigerung von Jürgen Peters, auf seine Kandidatur zu verzichten. Er habe versucht, sagte Zwickel, „den Streit über die verschiedenen Lager so weit als möglich zu begrenzen“. Natürlich, das ist auch seine Aufgabe. Man habe sich darauf geeinigt, die Auseinandersetzung „nicht mehr öffentlich“ auszutragen, um dem „Wunsch der Mitglieder nach Harmonie“ zu entsprechen. Das hört sich gut an.

Doch was ist nun das Ergebnis der 13-stündigen Beratungen? Wie geht es weiter mit der IG Metall? „Personell bleiben weitere Entscheidungen offen“, sagte Klaus Zwickel.

Dabei ging Zwickel sogar so weit, seinen eigenen Rücktritt anzubieten und bis zum Gewerkschaftstag im Oktober mit einer Übergangsleitung auszukommen. Allerdings nur, „wenn dies Peters zum gleichen Zeitpunkt auch tut“. Und Zwickel redete von einer „sichtbaren politischen Konsequenz“, die allerdings „an der Erklärung von Peters gescheitert ist“. Und an der „Pattsituation“, die sich nicht auflösen ließ, obwohl man „dicht davor“ stand, wie der Frankfurter Bezirksleiter Klaus Mehrens bestätigte.

Es ist schon erstaunlich, wie zwei Funktionäre die Spitze der weltweit immer noch größten Industriegewerkschaft bilden können, ohne sich etwas zu sagen zu haben. Und das seit 5 Jahren. 5 Jahre? Ja. Das „haarsträubende Klima“ zwischen den beiden an der Führungsspitze, von dem ein Teilnehmer auch am Dienstag wieder bei der Vorstandssitzung berichtete, hat eine Geschichte.

Und die begann bereits 1998, beim Gewerkschaftstag in Mannheim, der Wahl des 2. Vorsitzenden. Zwickel wollte den heutigen Kassierer Bertin Eichler. Bekommen hat er Peters, der mit Erfolg den farblosen Zwickel-Mann zu verhindern versuchte. Zwickel, erinnern sich heute noch Metaller, habe sich „zu einer Gratulation gezwungen“.

Seit dieser Wahl 1998 haben sich die Verhältnisse zugespitzt. „Es gibt ein Lager, das Peters unbedingt verhindern will“, sagte ein Gewerkschaftsfunktionär am Dienstag nach der Marathonsitzung. Und dabei habe es dann sogar Hinweise gegeben, dass eine Mehrheit von 21 zu 19 Stimmen für das Zwickel-Lager im Bereich des Möglichen lag. Aber mit solch einer knappen Mehrheit hätte die neue Spitze ihre Politik kaum durchsetzen können.

Das Dilemma fasste der Tarifexperte Armin Schild aus Peters’ Abteilung zusammen: es gebe „keine erkennbare Mehrheit“, Peters den Rücktritt nahe zu legen. Und es reiche nicht, „Peters direkt zum 1. Vorsitzenden zu machen“. Und so war die Katastrophe da. Vorstandskreise sprachen von einer „total unübersichtlichen chaotischen Situation“. Ohne Bewegung.

Erst als der baden-württembergische IG-Metall-Bezirksleiter Berthold Huber, Favorit Zwickels für seine Nachfolge, den Vorstandskollegen erklärte, er stehe nicht mehr für eine Position in der Gewerkschaftsspitze zur Verfügung, begann sich das Ergebnis der Sitzung abzuzeichnen. Huber äußerte sich zum ersten Mal. Zum Streikdesaster, zur Personaldebatte und zu seinen Ambitionen. Zwei Wochen lag er mit einer schweren Nierenentzündung im Bett, Gegner sagen, er habe sich „die ganze Zeit versteckt“.

Der Rückzug war keine spontane Idee Hubers, sondern eine „schon im Vorfeld durchdachte Option“, heißt es in ihm nahe stehenden Kreisen. Die „Option“ also beinhaltete zweierlei Überlegungen. Der Schwabe konnte sich seiner Macht ohnehin nicht sicher sein. Nicht nur weil eine Kampfkandidatur mit Peters beim Gewerkschaftstag im Oktober unberechenbar war. Sondern auch – hätte er sich denn durchgesetzt –, weil er im in zwei Lager geteilten Vorstand seine Handlungsfähigkeit anzweifelte.

Von einer Hausmacht in der Frankfurter Gewerkschaftszentrale erst gar nicht zu reden. Seinen Vorstandskollegen sagte Huber am späten Nachmittag, er wolle „alles dazu beitragen, um eine weitere Eskalation und Spaltung zu verhindern“, und daher „für eine Vorstandsführungsposition nicht mehr kandidieren“. Mehrens bedauerte: „Huber ist weg, das ist sicher.“

Der Versuch des VW-Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert, den gesamten Vorstand, also alle 41 Mitglieder, zum Rücktritt zu bewegen, scheiterte – an den Mitgliedern. Diesen Schritt, so sieht es die Satzung vor, hätte jeder für sich beschließen müssen. Aus beiden Lagern wurde abgewinkt – auch von Peters. Nur wenige waren bereit, auf ihr Amt zu verzichten.

Die ursprüngliche Tandemlösung mit Peters war gesprengt – nicht aber Peters Kandidatur. Das war eigentlich Teil zwei der „Option“ der Huber-Fraktion. Hubers Schritt sollte der seines ursprünglichen Tandemvordermanns folgen. Doch der ließ sich nicht unter Druck setzen und radelt jetzt eben allein weiter. Und wird Vorsitzender. „Ich gehe davon aus“, sagte Mehrens, „dass es so kommen wird.“

Vermutlich ohne einen reformorientierten Widerpart, wie es Huber gewesen wäre. Er bedauere, sagte Peters, dass „der Berthold“ die Tandemlösung nicht mehr aufrechterhalten habe. Doch die IG Metall müsse begreifen, dass es „eine Vielfalt von Strömungen gibt und beide eine gute Adresse abgeben müssen“.

Gute Adresse? Die muss Zwickel, der dem Vorstand erneut einen Vorschlag unterbreiten soll, erst noch finden. Namen gibt es nicht. Man habe, so der Tarifexperte Armin Schild, „eine solche Figur wie Huber nicht mal eben im Schuhschrank stehen“.

Die Entscheidung für Jürgen Peters ist also kaum mehr abzuwehren. Zwickel wäre „verrückt“, sagt der Frankfurter Bezirksleiter Mehrens, sollte er „noch einmal versuchen, Peters auszuboten“. Zwickel wird Peters also noch einmal gratulieren müssen. Auch wenn er das vermeidet, wo es nur geht. Als Peters seinen Geburtstag mit einem kleinen Umtrunk feiern wollte, so erzählte neulich ein Funktionär, hat er eine Reihe Mitarbeiter und Kollegen eingeladen. Auch Zwickel. Doch der lehnte dankend ab – und kam einfach nicht. „Die hassen sich so, dass es nicht einmal zu einem Glas Sekt aus Anstand reicht.“