Zapatisten mit Groove

Von unten und für unten – das ist Programm bei der mexikanischen Tropi-Pink Band „Los de Abajo“

Sie machen keinen Hehl aus ihrer politischen Überzeugung: Los de Abajo haben etliche Solikonzerte für die Zapatisten bestritten, den Comandante Marcos im lakedonischen Urwald besucht und sich damit sicherlich keine neuen Freunde im Establishment gemacht. Auf den ersten Plattenvertrag mussten die mittlerweile zwölf Musiker der Band deshalb auch lange warten – ihre Musik galt als unverkäuflich, obwohl ihre Tapes längst in der Landeshauptstadt kursierten. Ein Verschwörungstheoretiker, wer dahinter System vermutet.

Geschafft haben es die zwölf Rebeldes, die sich nach einem alten Roman über die mexikanische Revolution von 1910 benannten, trotzdem. Es ist nämlich nicht allein der politische Diskurs, den die Musiker um Bandleader Liber Terán beherrschen, sondern auch die Instrumente. In Mexiko und im Süden der USA, in TexMex-Country, spielen Los de Abajo inzwischen vor zehntausenden von Fans.

Den Kern der Band bilden neben Sänger Téran, Schlagzeuger Yocu Arellano, Carlos Cuevas an den Keyboards und Gitarrist Vladimir Garnica, die an der Universität gemeinsam Musik studiertenund dort scheinbar mehr als ein musikalisches Hauptgericht serviert bekamen. Ska, Salsa, Rock, HipHop, Cumbia, Mariachi und eine Prise Reggae sind dagegen die Zutaten ihres musikalischen Eintopfes, der schwer in die Beine geht und sich als idealer Transmissionsriemen für gesellschaftliche Kritik entpuppt hat. Die Verteilung des nationalen Reichtums und die soziale Misere sind genauso Thema wie die weitverbreitete Korruption zwischen Rio Grande und San Cristóbal de las Casas. Solidarität wird groß geschrieben und Erfahrungen im Straßenkampf haben nahezu alle Bandmitglieder.

Diese betrachten sich als Kinder einer erzwungenen Vereinigung zwischen Jesús und Coyolxauqui, der aztekischen Mondgöttin und Mutter des Universums. Deren Stimme wurde mit Kugeln, Gewalt und Religion erstickt, lästert Sänger Líber, die „Entdeckungsgeschichte“ eines Kontinents auf den Punkt bringend. Solche Kritik an den Verhältnissen und deren Ursachen konnte nur im Ausland ein Label finden: David Byrne nahm die Truppe unter Vertrag, nachdem er ein Tape aus der größten Stadt der Welt erhalten hatte. Für Líber Terán und Co. bis heute ein kleines Wunder und gleichzeitig die Initialzündung für Los de Abajo. Die trafen das Lebensgefühl diesseits und jenseits der abgeschotteten TexMex-Grenze, und auch in Europa hat sich mittlerweile ein beachtliche Fangemeinde gebildet. Dani Carbonell, Kopf der spanischen Elektro-Dub-Band Macaco, hat das aktuelle Album Cybertropic Chilango Power produziert und den wilden Stilmix von Los de Abajo etwas gebändigt: Dadurch klingt es etwas europäischer, doch live wird dieser neue Einfluss wieder in den Hintergrund treten – bienvenido en Hamburgo. KNUT HENKEL

heute, 21 Uhr, Fabrik