Die Vertreibung aus dem Bayern-Paradies

Morddrohungen verschärfen den Streit zwischen dem FC Bayern München und den ausgeschlossenen Fanclubs

MÜNCHEN taz ■ Der Streit zwischen dem FC Bayern und einem Teil seiner Fans ist eskaliert. Der Verein hatte über 500 Anhänger von der Fanklub-Liste gestrichen, ihnen keine Dauerkarten erteilt und sie pauschal als gewaltbereit verurteilt. Jetzt haben der Fanbeauftragte Raimond Aumann und das Vorstandsmitglied Karl Hopfner über das Internet Morddrohungen erhalten. Manager Uli Hoeneß vermutet die Urheber im Kreis der ausgeschlossenen Fanklubs. Der FC Bayern hat Strafanzeige gegen ein Mitglied der Fanorganisation Club Nr. 12 gestellt. „Wenn ein Mitglied von uns eine solche Drohung verfasst hat, bin ich völlig schockiert und distanziere mich ausdrücklich“, sagt der Vorsitzende Gregor Weinreich, „da ist vielleicht einer vollkommen durchgetickt.“ Hoeneß steigerte seine Vorwürfe gegen die Fanklubs: „Mitglieder, die bei Aktionen nicht mitmachen wollen, werden geschlagen, bedroht oder mit Alkohol gefügig gemacht.“ Weinreich bezeichnet dies als „lächerlich“. Er wehrt sich auch gegen den Verdacht des Rechtsradikalismus. Am Wochenende wollen Mitglieder des Klubs nach Italien zu einem Fußballturnier gegen Rassismus fahren.

Der Club Nr. 12 bezeichnet sich als „Zusammenschluss aktiver Bayernfans“. Ihm gehören auch Mitglieder der ausgeschlossenen Gruppierungen Red Sharks und Schickeria an. Über 500 Anhänger sind laut Weinreich bei seiner Organisation Mitglied, darunter fast 100 Vorsitzende anderer Fanklubs. Dadurch ist der Club Nr. 12 kein gewöhnlicher Fanklub mehr, sondern eher eine inoffizielle Dachorganisation. Dementsprechend viel Einfluss hat der Club Nr. 12 in der Südkurve. Diesen Einfluss nutzte er zu zahlreichen Aktionen, etwa Choreografien auf den Rängen. Dafür wurde er vor zwei Jahren im Stadionheft auf einer ganzen Seite gelobt. Von Hoeneß.

Aber längst nicht alle Aktionen lagen im Interesse der Vorstandschaft des FC Bayern. Bereits 1998 unterstützte der Club Nr. 12 eine Faninitiative für Stehplätze und organisierte eine Blocksperre. Statt Anfeuerung war nur die Forderung „Sitzplätze raus!“ zu hören. Außerdem mischte sich der Klub in die Stadiondebatte ein. Im Moment engagieren sich die Mitglieder des Club Nr. 12 gegen die Einführung einer Europaliga, gegen einen Börsengang des FC Bayern, für fanfreundliche Anstoßzeiten und gegen den Einfluss von Sponsoren auf die farbliche Gestaltung des Wappens, der Trikots und der Fanartikel.

Weinreich ist redegewandt und selbstbewusst. Er führt eine Fangruppierung, die Politik macht und wirkungsvoll organisiert ist. Mit einer Satzung, die nicht nur die Unterstützung des FC Bayern beinhaltet, sondern auch den „Erhalt traditioneller Fußballkultur“. Gegen die Kommerzialisierung. „Wir sind genauso ein Teil des FC Bayern wie der Vorstand“, sagt Weinreich.

„Sie haben sich mit guten Aktionen eine wichtige Position in der Fanszene erarbeitet“, sagt Thomas Emmes vom Fanprojekt der Stadt München, „ich vermute, dass dem FC Bayern diese kritischen Fans ein Dorn im Auge waren.“ Anhänger, die sich vom Fanklub distanzieren, sollen ihre Dauerkarte laut Weinreich zurückerhalten. „Langjährige Freunde wenden sich ab“, sagt er. „Das ist sehr bitter.“ Die Morddrohung nahm Emmes mit Bestürzung zur Kenntnis. „Das ist furchtbar und bringt alle in Misskredit. Aber man kann keine ganze Gruppe verurteilen, wenn einer von ihnen solchen Mist baut.“ Es handle sich um einen „durchweg studierten, gewaltfreien Fanklub“.

Der FC Bayern weiß, dass die Anführer des Club Nr. 12 nicht den Klischees tumber Gewaltverbrecher entsprechen. „Diese Leute sind sehr geschickt, hochintelligent“, sagt Manager Hoeneß, „aber das Gefährliche ist, wenn sie irgendwann in Anzug und Krawatte einen totschlagen.“ Gregor Weinreich sagt: „Wir werden mit einem riesigen Schmutzkübel überzogen, aber wir sind trotzdem noch gesprächsbereit.“ Weil er sich trotz allem noch als Teil des FC Bayern fühlt. Er ist aber sicher: „Egal wie die Sache endet, die Fankultur beim FC Bayern hat einen massiven Schaden erlitten.“

MARKUS SCHÄFLEIN