hamburger szene
: Göttin in weiß

Der Tag fing nicht gut an. Noch bevor ich es durch die Boulevardblätter erfuhr, wusste ich schon beim Augenaufschlagen: Die Grippewelle hat Hamburg erreicht. Der so genannte tückische Grippevirus H3N2 musste nachts durch mein Fenster geschlüpft sein und fühlte sich schon recht heimisch bei mir.

Krächzend und schniefend gingen H3N2 und ich also zur nächstbesten Allgemeinärztin. „Mir geht es nicht gut“, wimmerte ich. „Na, das wollen wir doch mal sehen“, sagte Frau Doktor daraufhin und leuchtete mir in den Mund. „Aaaaaahhhh“, kam es aus meinem Hals. „Ich sehe nichts“, sagte sie. H3N2 kicherte leise.

Ich zeigte nun also auf meine geschwollenen Lymphknoten. „Ich habe schon Knoten gesehen, die waren so groß wie Golfbälle“, lautete ihre Diagnose nach kurzem Abtasten. H3N2 fiel von der weißen Liege vor Lachen. „Und übrigens“, zischte sie, „warum gehen junge Frauen aus den Neuen Bundesländern eigentlich lieber in Kliniken als eine Arztpraxis aufzusuchen?“ Ich hatte keine Ahnung und hörte mich die Worte „Poliklinik“ und „Gewohnheit“ nuscheln.

Genau da hob H3N2 seine rechte Hand, machte einen perfekten Pioniergruß und verließ die Praxis mit einem lautstarken „Immer bereit!“ Ich folgte ihm. Meine trüben Augen sahen auf das grüne Rezept in meiner Hand. Hustenbonbons also – ich zerknüllte den Zettel sofort. Zu Hause angekommen, fiel ich erschöpft wieder ins Bett. Der nächste Tag konnte nur besser werden. UTA GENSICHEN