Lokalpatriotismus und Parteipolitik

Oberbürgermeister-Wahlkampf auf der Gelsenkirchen-Konferenz? Natürlich nicht. Die parteipolitischen Streitereien wurden schon alle im Vorfeld ausgetragen. Denn wer als Lokalpatriot gelten will, muss am großen Tag freundlich sein.

GELSENKIRCHEN taz ■ Es ist der Tag der Symbole. Einigkeit wollen Gelsenkirchens Politiker demonstrieren, also sitzen in der ersten Reihe vor dem Podium CDU und SPD-Politiker bunt zusammengewürfelt nebeneinander.

In der Mitte, direkt vor dem Rednerpult, sitzt Oliver Wittke. Es soll sein Tag sein. Der CDU-Oberbürgermeister ist der Gastgeber der Gelsenkirchen-Konferenz. Die Konferenz ist sein Kind. Er will der Mann sein, der Gelsenkirchen rettet. Also volle Konzentration: Den Rücken gestreckt und die Augen geradeaus, lässt er 28 Redner in sechs Stunden über sich ergehen. Die Haltung eines Musterschülers.

Rechts außen in der Reihe sitzt Frank Baranowski, der Mann, der im Herbst Gelsenkirchen für die SPD zurückerobern möchte. Der Mann ist braun gebrannt und lehnt sich in seinem Stuhl weit zurück. Immer wieder steht er auf, unterhält sich, zwinkert anderen Teilnehmern zu. Mit Wittke redet er nicht. Baranowski ist skeptisch, was den Erfolg der Konferenz angeht. „Es hätte mehr Zeit zur Vorbereitung gebraucht, um hier Konkretes zu erzielen“, sagt er.

Er ist skeptisch, weil er dem starken medialen Darsteller Wittke keinen PR-Erfolg gönnen will. Davon gibt es genug: Wittke auf dem Zeitungsfoto, die Hosentaschen nach außen gekehrt. Wittke im Fernsehen, wie er Bundesverkehrsminister Stolpe durch das düstere Loch des Gelsenkirchener Hauptbahnhof führt. Wittke im Radio, mehr Fördermittel fordernd. Wittke, Herr der bettelarmen Stadt Gelsenkirchen. „Wittke hat einen Geist aus der Flasche gelassen, der sagt, dass Gelsenkirchen gleich Abstieg ist“, meint Baranowski.

In seiner Rede fordert der SPD-Mann mehr Optimismus. Aus Gelsenkirchens Schwächen sollen Stärken werden, sagt er. Bevölkerungsschwund? „Emscher-Lippe kann zur Modellregion für demografischen Wandel werden“, sagt er. Er spricht langsam. Eine Hand hat er in der Hosentasche, mit der anderen gibt er sich selbst den Takt vor. Sozialpolitik, Bildung und Kultur kommen im Aktionsprogramm der Konferenz zu kurz, sagt er. Klassische SPD-Themen. Wahlkampf? „Ich bemühe mich, keinen Wahlkampf zu machen. Aber ich will inhaltliche Differenzen nicht verkleistern“, sagt Baranowski. Einen Masterplan für Gelsenkirchen, das will er.

Oliver Wittke will den nicht. „Wir müssen nicht noch mehr Papier beschreiben, sondern handeln“, sagt er dazu. Wittke will als Macher dastehen. Er spricht schnell, wie ein Wasserfall. Er zählt Positives auf, nennt Firmen, die sich neu in der Stadt angesiedelt haben. Er will kein Bettler sein. Das Aktionsprogramm sei kein Wunschzettel, sondern durchaus konkret. Wahlkampf? „Nicht durch mich“, beteuert er. Trotzdem gibt es Spitzen gegen die rot-grüne Landesregierung. „Mehr erwartet“ habe er von Staatssekretär Bickenbach aus dem Arbeitsministerium, der sich hartnäckig weigert, Gelsenkirchen mehr Geld zu versprechen. „Nicht kommentieren“ will er, dass sämtliche Minister ihre Teilnahme abgesagt haben. Bereits vor der Konferenz hat sein Umfeld sich aber über die „abenteuerlichen Konstruktionen in den Terminplänen der Minister“ mokiert.

Natürlich hat sich Wittke mehr erhofft. Auf der Konferenz zählt aber nur Versöhnliches: „Ich danke allen, die sich an einem Samstagnachmittag Zeit genommen haben“, sagt er. Eine Spitze gegen Düsseldorf in Wahlkampfzeiten? Darauf kann man nun wirklich nicht kommen.

KLAUS JANSEN