16:0 Tore in nur drei Spielen

Die Pokalsiegerinnen von Turbine Potsdam wollen nun auch den Meistertitel im Frauenfußball. Nach dem 3:0 gegen Duisburg liegen sie vor dem Saisonfinale an der Spitze. Das letzte Spiel findet beim Serienmeister und Tabellenzweiten Frankfurt statt

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Der 15. Juni 2003 war wohl einer der bittersten Tage in der Vereinsgeschichte des Frauenfußballclubs Turbine Potsdam. Es war der letzte Spieltag der vergangenen Bundesligasaison, und es fehlte den Potsdamerinnen nur ein Tor, um dem übermächtigen 1. FFC Frankfurt erstmals die Meisterschaft streitig machen zu können. Knapp 8.000 Zuschauer waren seinerzeit ins niedliche Karl-Liebknecht-Stadion zu Babelsberg gekommen und bewiesen, dass Frauenfußball mehr ist als eine Veranstaltung für einen handverlesenen Kreis von Experten. 0:0 endete das Spiel. Frankfurt war wieder einmal Meister – und Potsdam zum dritten Mal nur Vizemeister. Turbine schien auf die Rolle des ewigen Zweiten programmiert zu sein.

Schnee von gestern. Denn seit dem 28. Mai 2004 sind die Potsdamerinnen eine Siegermannschaft. Mit 3:0 fertigte Turbine den Serienpokalsieger vom FFC Frankfurt regelrecht ab. Jetzt wissen die Spielerinnen, dass sie auch auch gewinnen können gegen die Hessinnen, die als deutscher Vorzeigeclub im Frauenfußball eine ähnlich umstrittene Popularität genießen wie der FC Bayern bei den Männern. Schon zwei Tage nach dem Pokaltriumph machten sich die Potsdamerinnen auf die Reise zur Meisterschaft. Beim FC Saarbrücken gewann Turbine 7:0. Drei weitere Tage danach gewann Potsdam mit 6:0 beim FSV Frankfurt. Im Potsdam rieb man sich verwundert die Augen, als unter der Woche ein Ergebnis des Spitzenreiters FFC Frankfurt vermeldet wurde. Nach dem überraschenden 1:1 des Meisters gegen den FC Bayern eröffnete sich mit einem Mal die Chance, als Tabellenführer zum Saisonfinale am kommenden Wochenende zu fahren – wieder zum 1. FFC. Voraussetzung war ein Sieg am gestrigen Sonntag gegen den Tabellenvierten der Liga, den FCR Duisburg.

Dass das, trotz aller Spiellaune, die die von der Boulevardpresse gerne Torbienen genannten Potsdamerinnen in der letzten Woche gezeigt haben, kein Spaziergang werden würde, das hat der Trainer der Mannschaft, Bernd Schröder, unter der Woche schon prophezeit. Er zeigte sich wenig erfreut vom Spielplan in der Liga, der dem Pokalsieger innerhalb von acht Tagen vier Pflichtspiele vorschrieb.

In der Tat wirkten die Favoritinnen am Sonntag alles andere als frisch. Zwar war in beinahe jedem Zweikampf zu spüren, dass Turbine eigentlich auf jeder Position besser besetzt ist als Duisburg, doch ungewöhnlich viele Ungenauigkeiten im Abspiel ermöglichten es den Gästen, das Spiel länger offen zu halten, als es Potsdam lieb sein konnte. Nach dem 1:0 durch Petra Wimbersky in der 9. Minute entwickelte sich ein hochklassiges Fußballspiel, bei dem sich vor allem die zwei Torsteherinnen auszeichnen konnten. Die Duisburgerin Silke Rottenberg, Deutschlands WM-Heldin, und Nadine Angerer bewiesen ein ums andere Mal, dass sie die zwei mit Abstand besten Torfrauen im Lande sind.

Die Spannung währte bis zur 71. Minute, in der erneut Wimbersky zum 2:0 einschob. Sieben Minuten später traf dann noch Conny Pohlers, sodass am Ende wieder ein klarer Sieg notiert werden konnte. 89 Tore haben die Potsdamerinnen in dieser Saison schon geschossen. Nun fahren sie erstmals als Tabellenführer zum Saisonfinale nach Frankfurt. Ein Unentschieden gegen die angeschlagenen Hessinnen, die am Sonnabend das Uefa-Cup-Finalrückspiel gegen Umea mit 0:5 verloren, würde zum Titel reichen.

„Es ist einfach Zeit, dass wir auch den anderen Pokal holen“, posaunte nach Abpfiff Spielführerin Ariane Hingst ins Stadionmikrofon und eröffnete die Saisonabschlussparty. Am Stadioneingang wurde Freibier an die Fans ausgeschenkt, und Trainer Frank Schröder, der ewige Miesepeter, der auch bei einem Spielstand von 8:0 für seine Frauen einen Tobsuchtsabnfall an der Linie bekommen kann, strahlte mit der Sonne um die Wette. Auch er ist ein Siegertyp geworden.

Doch noch ist die Saison nicht zu Ende. Eine Woche hat die Mannschaft nun Zeit, sich auf die letzte Partie vorzubereiten. Den Spielerinnen wird es gut tun. Gleichwohl ist es kein günstiger Termin. Denn am nächsten Sonntag ist die EM der Männer bereits in vollem Gange und die Meldung von der Titelentscheidung bei den Frauen wird wieder einmal ganz hinten in den Sportteilen landen.