rad fahren
: Radfahrer weiter nur geduldet

„Berlin muss auch im Alltag fahrradfreundlicher werden“, sagte der Berliner Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs, Benno Koch – und traf damit auf der wohl wirklich größten Fahrrad-Demonstration der Welt gestern in der Hauptstadt den Punkt. Denn der Alltag ist auf der Straße, mag man angesichts eines nahenden sportlichen Großereignisses in abgewandelter Fußballersprache sagen. Und dieser Alltag sieht für Radfahrer in unserer Stadt trist aus: Rad fahren ist hier immer noch lebensgefährlich.

KOMMENTAR vonPHILIPP GESSLER

Wer jeden Tag mehr als fünf Minuten mit dem Rad unterwegs ist, kann schon nach wenigen Monaten in der Stadt aus dem Stand mehrere Geschichten erzählen, wie er oder sie als Radfahrer(in) gerade so noch mal dem Tode von der Schippe gesprungen ist – und/oder verletzt wurde von abgelenkten oder halb blinden Autofahrern in ihren Karren. Berlin ist eben nach wie vor eine Autofahrerstadt, die Boulevards und Paradestraßen verleiten zum rücksichtslosen Rumrasen. Als Radfahrer ist man bestenfalls geduldet.

Dem widerspricht nicht, dass die so wichtigen Rad-Lobbyisten seit Jahren um Besserung bemüht sind und dass der Anteil des Rades am Stadtverkehr seit Anfang der 90er-Jahre etwa um die Hälfte auf derzeit zehn Prozent gewachsen ist. Viele der Umsteiger aufs Rad taten dies in den vergangenen Jahren schlicht aus wirtschaftlicher Not in einer immer weiter verarmenden Stadt. Und Erfolg hat die Rad-Lobby nur schmerzhaft langsam angesichts leerer öffentlicher Kassen. Geld aber braucht es massig in einer Stadt, die so groß ist. Berlin ist eben nicht Münster.

Wenn also 250.000 Menschen auf dem Rad für mehr „Respekt für Radler“ demonstrieren, so ist dies zwar lobenswert, aber nur die halbe Antwort auf das Problem. Die Stadt ist noch weit davon entfernt, den Titel einer fahrradfreundlichen Metropole zu verdienen. Dazu bedürfte es viel mehr Geldes und eines Umdenkens in der gesamten Verkehrspolitik. Beides aber ist nicht zu erwarten. Trotz ehrenwerter Kämpfer wie Benno Koch.