Champions aus der Stadt der Frauen

Die Fußballerinnen von Umeå IK holen sich mit einem spektakulären 5:0-Sieg beim 1. FFC Frankfurt den Uefa-Pokal, und die nordschwedische Stadt wird ihrem Ruf als feministische Hochburg damit auch auf sportlichem Gebiet gerecht

STOCKHOLM taz ■ „Nein, das ist keineswegs ein Zufall“, kommentiert Nea Mellberg, Forscherin am frauenwissenschaftlichen Institut der Universität Umeå, den Europacupgewinn der Fußballerinnen aus der nordschwedischen Stadt mit dem imponierenden 5:0 im Rückspiel beim 1. FFC Frankfurt (Hinspiel: 3:0). „Hier arbeiten Frauen zusammen.“ Mag Stockholm von Berlin aus gesehen schon recht weit im Norden liegen, von Stockholm nach Umeå ist es fast noch einmal so weit. Wenn sich ausgerechnet im Nordteil Schwedens, wo der Schnee noch im Mai liegt und erste Frostnächte Mitte August keine Seltenheit sind, die Saison für Ballspiele auf dem grünen Rasen trotz Kunstgras also extrem kurz ist, die führende Clubelf nicht nur des schwedischen, sondern des europäischen Frauenfußballs etabliert hat, muss das Gründe haben.

Umeå gilt in Schweden als „die Frauenstadt“. Ein Ruf, der ganz entscheidend mit der Etablierung der ersten schwedischen Universität nördlich von Uppsala im Jahre 1965 zu tun hat. 20.000 Studentinnen und Studenten gaben schnell der mittelgroßen Stadt mit ihren knapp 100.000 Einwohnern ihr Gepräge. Die Debatten innerhalb der Studentenbewegung beeinflussten auch die in Gewerkschaften und Parteien aktiven Frauen. Ein Forschungsschwerpunkt zum Thema „Geschlecht und Macht“ wurde bald das landesweit bekannteste Kennzeichen der neuen Uni. Lange bevor Feminismus in aller Munde war. Womit die Hochschule ihren Namen als „Frauenuniversität“ oder gar „feministische Festung“ ein für allemal weg hatte. Und im Übrigen nicht nur einer der Geburtsorte der grün-politischen Bewegung war: Umeå gilt auch als das Zentrum der radikalen Vegetarianismusbewegung im Lande.

Ein Netzwerk von Frauengruppen prägt die Stadt wie wenige andere in Schweden. Auch wenn sich die in der Stadtverwaltung für Gleichberechtigungsfragen zuständige Aurora Moberg wehrt, von paradiesischen Zuständen zu sprechen. Ja, einzelne Zahlen seien durchaus positiv: eine um ein Sechstel unter dem Landesdurchschnitt liegende Frauenarbeitslosigkeit, eine überdurchschnittliche Quote der Männer, die von ihrem Recht auf Vaterschaftsurlaub Gebrauch machten, und 63 Prozent aller Mädchen, die nach dem Abitur mit einer Hochschulausbildung beginnen – für ganz Schweden liegt diese Zahl bei 42 Prozent.

Und da sei nun mal dieses spezielle Klima, eine Art Umeå-Kultur, die dazu geführt habe, dass auch die Politiker auf Frauenbelange mehr Rücksicht nähmen. Man reagierte beispielsweise ebenso ratlos wie belustigt, als der schwedische Fußballverband vor drei Jahren dagegen protestierte, dass Umeå seiner Frauenelf bei der Nutzung des städtischen Stadions das Vorrecht gegenüber der Männermannschaft einräumte. Die obersten Fußballherren in Stockholm blitzten böse ab.

Nun gehören Umeå und der Frauenfußball unzertrennlich zusammen. Mit durchschnittlich rund 3.500 Fans auf der Tribüne können die Frauen immerhin mit den Mannschaften im unteren Mittelfeld der ersten Männerliga mithalten. Die Mädchen spielen jetzt Fußball in Umeå, haben eigene Vorbilder, und Idol ist nicht mehr, ein weiblicher Henrik Larsson zu werden, sondern eine Hanna Ljungberg oder Marta. Die 18-jährige Brasilianerin, die am Samstag gegen Frankfurt drei der fünf Tore selbst schoss oder vorbereitete, ist der unangefochtene Publikumsliebling und hat gerade ihren Vertrag bei Umeå für die Zeit nach den Olympischen Spielen in Athen verlängert. Dort will sie erst mal für ihre Nationalmannschaft Tore schießen.

REINHARD WOLFF