ISRAEL: AUCH IM GEFÄNGNIS BLEIBT BARGUTI WICHTIG FÜR FRIEDENSPROZESS
: Pragmatischer Partner

Das Urteil über Marwan Barguti ist streng, aber nicht ungerecht: Die Richter sprachen ihn schuldig am Mord von fünf Menschen und verurteilten ihn dafür zu fünfmal lebenslanger Haft. Die Planung von Terrorattentaten gehört zu den schlimmsten Straftaten, die vor israelischen Gerichten behandelt werden – und nur hier sollten sie behandelt werden. Oft genug kommt es gar nicht zum Verfahren gegen die Drahtzieher von Attentaten, sondern sie werden selbst zum Opfer von Todeskommandos. Der wie in Bargutis Fall gewählte Rechtsweg einer Bestrafung ist zweifellos der richtigere.

Barguti ist, wie viele andere Palästinenser, die in ihrem Kampf um Selbstbestimmung und Freiheit keine Alternative zum Terror sehen, nicht als Mörder auf die Welt gekommen, sondern erst durch die Besetzung zu einem solchen gemacht worden. Er tötete nicht aus Mordlust oder um sich persönlich zu bereichern. Er wollte ein legitimes politisches Ziel erreichen. Mildernde Umstände verdient er deshalb aber nicht, denn das Ergebnis bleibt gleich. Es mussten unschuldige Menschen sterben.

Was berücksichtigt werden sollte, ist indes die Frage, ob die Gefahr einer Wiederholungstat besteht. Unter den gegebenen Voraussetzungen würde der freie Barguti so lange eine Bedrohung für die Sicherheit der in Israel lebenden Menschen darstellen, wie der gewalttätige Konflikt zwischen Besatzungsmacht und Palästinensern andauert. In dem Moment jedoch, wo Israelis und Palästinenser auf eine Lösung zusteuern, die Barguti selbst vorschwebt – zwei Staaten in friedlicher Koexistenz –, würde von dem überführten Terroristen keine Gefahr mehr ausgehen.

Im Gegenteil: Barguti hat sich in der Vergangenheit als pragmatischer Partner im Friedensprozess erwiesen und sogar noch von seiner Gefängniszelle aus den temporären Waffenstillstand der Widerstandsgruppen vorangetrieben. Ihm wird auch in Zukunft eine zentrale Rolle bei der Annäherung beider Völker zukommen. Ob das hinter Gittern passiert oder in Freiheit, wird dann nicht mehr von den Richtern entschieden werden, sondern von den Politikern. SUSANNE KNAUL