Neue Hoffnung auf späte Justiz

Die neue argentinische Regierung erwägt, die Auslieferung im Ausland wegen Folter und Mord beschuldigter Exmilitärs in Zukunft nicht mehr zu verhindern

BUENOS AIRES taz ■ Es sind 46 Namen, die auf der Liste des spanischen Richters Baltasar Garzón stehen. Der Richter des Weltgewissens, der schon den chilenischen Exdiktator Augusto Pinochet in London festsetzen ließ, hat bei der argentinischen Justiz die Auslieferung von ehemaligen Militärs beantragt, denen er „Folter, Mord und Völkermord“ während der argentinischen Militärdiktatur (1976–1983) vorwirft. Auch aus Deutschland liegt ein Auslieferungsbegehren gegen jenen Offizier vor, der für die Ermordung der Deutschen Elisabeth Käsemann 1977 verantwortlich sein soll. Bislang wurden solche Anträge jedoch von der argentinischen Justiz automatisch abgelehnt. Ein Präsidialdekret aus dem Jahr 2001 untersagt die Auslieferung von Personen, die in Argentinien bereits verurteilt wurden. Egal, ob die Militärs sich später dank zweier Amnestiegesetze in Freiheit retten konnten.

Doch das könnte sich schon bald ändern. Nach Angaben des Kabinettschefs, Aníbal Fernández, prüfe die Regierung von Präsident Néstor Kirchner das Dekret 1581/01 zu kassieren. Damit wäre es Sache der Richter, ob sie einer Auslieferung eines argentinischen Diktaturgenerals zustimmen. „Das ist ein Thema, das nur die Justiz etwas angeht“, sagte Fernández am Mittwoch. „Es geht hier nicht um Ideologie.“ Nach den Vorstellungen der Regierung sollen es die Richter künftig es auch ablehnen können, eine Person festzunehmen, obwohl ihnen ein Auslieferungsantrag vorliegt.

Anfang des Monats wurde der mutmaßliche argentinische Folterer Ricardo Cavallo von Mexiko an Spanien ausgeliefert. Garzón wirft ihm im Haftbefehl „Völkermord, Terrorismus und Folter“ vor. Cavallo war durch Zufall in Mexiko entdeckt worden und auf Antrag von Garzón verhaftet worden.

Der Fall Cavallo hat die Regierung von Kirchner, seit kaum anderthalb Monaten im Amt, dazu gezwungen zu den Auslieferungsgesuchen Garzóns Stellung zu beziehen. Eilig hat Kirchner als offizielle Linie ausgegeben: „Man darf die Entscheidung nicht politisieren oder ideologisieren: Das einzige Ziel muss sein, dass die Justiz vernünftig arbeitet.“

Sein Außenminister Rafael Bielsa, selbst ein versierter Jurist, lenkt ein, dass das Präsidialdekret, welches die Auslieferungen der Militärs verbietet, gegen die argentinische Verfassung verstoße. Außerdem habe Argentinien „starke Lobby für die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs gemacht“. Dessen Chefankläger Luis Moreno Ocampo ist zudem noch Argentinier und hat als Staatsanwalt in Buenos Aires einst der Militärjunta den Prozess gemacht.

Gerüchten, wonach in den Streitkräften wegen der neuen Haltung der Regierung in puncto Auslieferung Unruhe herrsche, widersprach Armeechef Roberto Bendini am Mittwoch. „Die Streitkräfte sind der politischen Macht unterworfen“, so Bendini.

INGO MALCHER