Weitere Austritte aus der Toskana-Fraktion

Die SPD findet Hannover durchaus eine Reise wert, die Opposition dagegen versucht dem Kanzler die Urlaubslaune weiter zu verderben

BERLIN taz ■ Dem Kanzler folgt nun sein Generalsekretär. Nachdem Gerhard Schröder verkündet hat, statt in Italien in Hannover zu entspannen, erklärte gestern Olaf Scholz, auch nicht nach Italien zu fahren. Doch allzu sehr geißelt er sich nicht. Statt in seinem Wohnort Hamburg-Altona zu bleiben, fährt er voraussichtlich nach Frankreich. Rückendeckung erhielt Schröder auch vom SPD-Fraktionsvize Gernot Erler. „Wenn eine solche Provokation von einem Regierungsmitglied passiert, würde es eine völlig falsche Wirkung erzielen, wenn man diese Urlaubspläne aufrechterhalten hätte“, sagte er.

Innenminister Otto Schily (SPD) indes hält an seinen Italien-Reiseplänen fest. Der Besitzer eines Hauses in der Toskana forderte zwar den Rücktritt des italienischen Tourismus-Staatssekretärs, doch die Entscheidung über seinen Urlaub will er für sich selbst treffen. Wo der grüne Außenminister Joschka Fischer, ebenfalls bekennender Toskana-Fan, Entspannung suchen wird, darüber schweigt sein Haus.

Unterdessen nutzt die Opposition die Gunst der Stunde, um Schröder auch noch die Hannover-Urlaubslaune zu verderben. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble (CDU) bezeichnete Schröders Reaktion als „völlig überzogen, albern und künstlich aufgeregt“. Schröder solle „aus dem dummen Gerede eines Staatssekretärs“ keine Affäre machen. Der CDU-Abgeordnete im Europäischen Parlament, Elmar Brok, sprach von „unverantwortlichem Populismus“. Dafür, dass die Italiener auf den deutschen Kanzler in Badehosen verzichten müssen, hat ihnen der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle einen Besuch angedroht. Er teilte mit, dass er einen Urlaub in Italien erwäge. „Meine Solidarität gehört den wackeren Italien-Reisenden Joschka Fischer und Otto Schily“, warf er sich an die rot-grüne Toskana-Fraktion. Er ist zuversichtlich, als „qualifizierter Tourist aus Deutschland“ durchzugehen. „Schließlich bin ich blond“, unkte Westerwelle und gab sich wie immer staubtrocken: „Es geht nicht darum, wo Schröder seinen Schwimmreifen auspackt. Jetzt ist Steuersenkungszeit und keine Sommerpause.“

Der frühere EU-Parlamentspräsident Klaus Hänsch hingegen warnte davor, die antideutschen Äußerungen von italienischen Regierungsmitgliedern zu ernst zu nehmen. „Ich setze doch nicht Berlusconi und irgendwelche anderen Leute, die da etwas sagen, mit dem italienischen Volk gleich.“ Er selbst werde weiterhin nach Italien fahren, erklärte der SPD-Politiker.

Dann sollte er unbedingt eine Postkarte aus Bella Italia an die Grünen in Münster schreiben. Denn die nennen Schröders Entscheidung eine „unangemessene Demonstration gekränkten deutschen Nationalbewusstseins“ und spendieren jedem, der bis zum 15. September eine Urlaubskarte aus Bella Italia an ihr Büro schickt, eine Kiste mit italienischem Rotwein. WAHN