Urdrüs wahre Kolumne
: Helden & Betrüger

Schützenfeste überall im Sendegebiet unseres Maulfunks. Das größte aber, das tobt derzeit in Hannover. Ein Ereignis, das jedem Offizialbeleidiger Stefano Stefani eine Fülle von Menschenmaterial zum Beleg seiner Anschuldigungen verschaffen könnten – in eben dieser Stadt aber formulierte jüngst die „Neue Presse“ folgenden Schweinkram unter der Überschrift „Betrüger gefasst“: O-Ton „Ein Betrüger (37) klingelte bei Fremden, bat um Geld für die Heimreise. Er sei bestohlen worden, deshalb völlig mittellos. Gestern nahmen Fahnder den 37-Jährigen in Ricklingen fest. Er hatte 2,89 Promille.“ Ein Betrüger also! Wer solche denunziatorische Nichtigkeit aus dem Bullizeibericht im Maßstab 1:1 übernimmt, sollte Schreibverbot auf alle Zeit bekommen!

Kein Betrüger ist jedenfalls der Bremer Bauunternehmer Zech – schließlich läuft er mit und ohne Promille samt seiner Helfershelfer in Politik und Verwaltung immer noch frei herum. Dass er das gegenseitige Abhören per Lauschangriff unter Maurerpolieren als branchenüblich darstellt, zeugt von erstaunlicher Offenheit gegenüber zunftgemäßem Brauchtum, das auch den kollegialen Betonklotz am Spielbein als letzten Gruß einschließt. Italien ist trotz Stefano Stefani fast überall. Vielleicht hätte man bei der Anmeldung Bremens zum Weltkulturerbe auch auf die Wahrung solcher Traditionen zwischen Schütting, Mörteltonne und Rathaus verweisen sollen ...

Indem dass bajuwarische Lebensart mit der soeben eröffneten Klause der rauschgifthandelnden Klosterbrüdern aus Andechs jetzt auch in Bremen Einzug gehalten hat und womöglich Labskaus und Stubenküken vollends durch Haxn, Knödel und stets vor dem Mittagsläuten zu verzehrenden Weißwürscht verdrängt werden, empfehlen sich Sofortmaßnahmen zur Wahrung des Hanseatentums. Fürderhin sollte jeder geteert, gefedert und bis zum Erbrechen mit Holsten-Pils abgefüllt werden, der leichtfertig unseren Sonnabend durch den süddeutschen Samstag ersetzt (zumeist mit der vorgeschobenen Begründung, dass Sonnabendabend nicht so gut klänge), sich als Bayern München-Fan bekennt oder heimlich das Naabtal-Duo hört, statt mit Klaus & Klaus auf Folklore nach bewährter Landesart zu setzen.

„Bombenalarm in Gröpelingen“: diese blödsinnig-unsinnliche Kurzmeldung der taz bremen vom Dienstag dieser Woche erinnert den Chronisten wehmütig an die Zeit des Großen Sprengemeisters Harry Warrelmann, der aus solchen Anlässen noch gigantisches Freilicht-Theater gestaltete, in das sich die Bevölkerung auf Stadtteilebene zu hunderten und tausenden einbringen konnte: Man kam sich als evakuierte Notgemeinschaft schon bei der Entschärfung einiger Knallfrösche in Turnhallen und Bürgerhäusern näher, ließ sich von barmherzigen Rotkreuzschwestern mit Wolldecken, belegten Broten und Kamillentee verwöhnen und konnte das grandiose Spektakel am Abend selbst noch mal im Fernsehen bei „Buten & Binnen“ miterleben. Harry Warrelmann, diesen wahrhaftigen Helden – die universelle Gesamttücke hat ihn wegen ein klitzebichen Korruptionsverdacht zur Strecke gebracht und damit die Menschen um ein leuchtendes Vorbild, einen Protagonisten des zupackenden Bürgersinns. Kein Wunder, dass es nach seinem schmählichen Rauswurf bergab ging: Wer Gefahrenmomente nicht als kollektiven Hymnus inszenieren kann, muss sich über mangelnden Gemeinsinn nicht wundern!

Im Literaturtelefon von Aurich ist derzeit unter der Rufnummer 04941/69 99 44 Ex-Kreisdirektor Hans-Werner Pieper mit seiner selbstverfassten und recht gelungenen plattdeutschen Kurzgeschichte „Nix los an d‘Diek“ zu hören. Hier können Hanseaten wieder mal von Ostfriesen lernen: nämlich wie man ausscheidenden Politikern und Bürokraten eine Lebensperspektive schafft, ohne immer wieder teure Institutionen zur rückschlagfreien Entsorgung zu gründen. Empfiehlt mit allem Nachdruck zur Nachahmung

Ulrich
„Sparfuchs“ Reineking