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: CLEMENS NIEDENTHAL über den Zauber gemütvoller Erwartung

Bei Krempels unterm Sofa

Neulich habe ich was gefunden. Ein Bild, im Keller. Gemalt in Öl und im Gestus einer vergangenen Epoche. Es zeigt einen feingliedrigen Mann, der ein wenig schwermütig in die Ferne blickt. Allerdings kann man die Ferne nicht sehen. Die Ferne muss man sich vorstellen.

Nun beherbergt mein Keller die dinglichen Erinnerungen einer ganzen Reihe verschiedener Leben. Zu welchem Leben der feingliedrige Mann gehört, lässt sich also kaum mehr eindeutig klären. Auch nicht, wer das Bild in einen abscheulich ochsenblutfarbenen Rahmen gepackt hat. Ja, ich vermag nicht einmal zu beurteilen, ob es sich bei jenem schwermütig Blickenden nun um Kunst oder doch nur um Krempel handelt.

Aber für solch verzwickte Situationen gibt es kompetente Hilfe. Zumindest für jene, die im Hoheitsgebiet des Bayerischen Rundfunks leben. „Kunst & Krempel“ heißt dort eine wöchentliche Fernsehsprechstunde, in der sich allerdings nur selten um herrenlose Porträtmalereien gekümmert wird. Denn was da auf dem Tisch der Experten aus Wissenschaft und Kunsthandel landet, stammt zumeist aus recht stolzen Traditionsbeständen: Gegenstände, von denen ihre Besitzer dann berichten, dass sie einst beim Urgroßvater über dem Kamin hingen. Oder dass sie ehedem aus den warmen Händen irgendeines Prinzregenten – oder zumindest dessen Jagdaufsehers – in den Familienbesitz übergingen. Gleich mehrfach ist auf den Internetseiten von „Kunst & Krempel“ deshalb von „Familienschätzen“ die Rede. Und davon, dass die Sendung „spannende Unterhaltung“ mit – Obacht – „gemütvoller Erwartung“ verbinde.

Letztlich erzählt „Kunst & Krempel“ fast mehr über die Menschen als über ihr mitgebrachtes Hab und Gut. Adrette Ehepaare knapp jenseits der Pensionsgrenze sind es zumeist, die ihre Stillleben und Silberlöffel vom Fachpersonal taxieren lassen – nur selten freilich in der Intention, Leben wie Löffel tatsächlich zu versilbern. Denn bereichert wird sich bei „Kunst & Krempel“ vor allem an symbolischem Kapital.

Dreimal im Jahr organisiert der Bayerische Rundfunk solche Meetings, aus denen dann die halbstündigen Folgen zusammengeschnitten werden. Wahrlich unglamouröses Fernsehen ist das Ergebnis. Keine inszenierte Gegenwart darf von der heroischen Inszenierung des Vergangenen ablenken. „Kunst & Krempel“ werkelt an einer eigenen Geschichtsschreibung. Und die erinnert frappant an die Speisekarte eines niederbayerischen Landgasthofes. Gutbürgerliche Geschichte eben.