Pott wird Modellregion

Strukturwandel im Ruhrgebiet soll als Vorbild für türkische Bergbauregion Zonguldak dienen. Zentrum für Türkeistudien baut auf EU-Gelder

Die türkische Bergbauregion Zonguldak hofft auf EU-Fördermittel für den Strukturwandel

AUS ESSEN NATALIE WIESMANN

Die türkische Provinz Zonguldak hat mit dem Ruhrgebiet eines gemeinsam: Sie will weg von Kohle und Stahl, hin zu Dienstleistung, Handel und Tourismus. Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen besteht zwischen den beiden Regionen eine starke kulturelle Bindung: „Fast die Hälfte aller 350.000 im Ruhrgebiet lebenden Türken stammen aus Zonguldak und den benachbarten Provinzen Bartin und Karabük“, sagte Faruk Sen, Direktor des Zentrums für Türkeistudien (ZfT), vor der Ruhrpressekonferenz in Essen. Das ZfT will mit dem neu gegründeten Institut für Migrationsforschung an der dortigen Universität stark kooperieren.

„Wir fühlen uns quasi verpflichtet, unsere Erfahrungen dorthin zu transportieren“, so Sen. Auch könne das Ruhrgebiet der Region Zonguldak belfen, beim bevorstehenden Strukturwandel „Fehler nicht zu wiederholen“. Jetzt wollen die beiden Institute die Zusammenarbeit der beiden Regionen vorantreiben und hier wie dort Selbständigkeit unterstützen: „Die türkischen Einwanderer im Ruhrgebiet sind nicht gerade Gründerfamilien“, sagt Yunus Ulusoy, Mitarbeiter beim ZfT.

In den Sechziger Jahren holten die Bergbauunternehmen verstärkt Facharbeiter aus der türkischen Montanregion ins Revier. „Viele Türken aus anderen Regionen nutzten die Binnenmigration an die Schwarzmeerküste, um von dort aus schneller nach Deutschland zu gelangen“, weiß Ulusoy, dessen Eltern aus Zonguldak an die Ruhr emigrierten. Das türkische Migrationsinstitut untersuchte unter anderem Rückwanderungsabsichten der Türken, die damals angeworben wurden. Erstes Ergebnis: „Die Türken leben oft hier in ihren eigenen vier Wänden und wollen nicht zurück“, sagt Ömer Say, Leiter des türkischen Migrationsinstituts. Dennoch gibt es gerade bei der älteren Generationen viele so genannte „Pendelmigranten“, – Menschen, die halb hier und halb in der Türkei lebten.

Die türkische Montanregion mache seit einiger Zeit eine ähnliche Entwicklung durch wie das Ruhrgebiet, sagt Ulusoy vom ZfT. Die Zahl der Bergleute sei dort von rund 37.000 im Jahr 1990 auf 16.000 zurück gegangen. Die türkische Regierung sei wie die deutsche nicht mehr bereit, die Steinkohle weiter hoch zu subventionieren. „Bislang werden jedoch auch keine Alternativen angeboten“, meint Ulusoy. Außerdem müsse die Region wie das Ruhrgebiet in dem Wandlungsprozess finanziell gefördert werden. Faruk Sen baut ganz optimistisch auf EU-Mittel: „Wir denken, dass bei den Verhandlungen im Dezember ein EU-Beitritt für 2013 herausspringt“. Und dann sei die Förderung der türkischen Montanregion ab dem Jahre 2005 ziemlich wahrscheinlich. Mit dem Geld sollen mittelständische Unternehmen unterstützt und der Tourismus angekurbelt werden. „Der große Vorteil von Zolgundak ist das Meer“, so Sen. Auch der Hafen könnte für logistische Zwecke weiter ausgebaut werden.

Mittelfristig sollen in das Kooperationsprojekt auch die IHKs, das NRW-Arbeits- und Wirtschaftsministerium und die Gewerkschaften ins Boot geholt werden. Für diesen Zweck hat das Zentrum für Türkeistudien am 3. Juli ein Symposium ins Leben gerufen.