Rotarier mit Gemeinsinn

Wohlhabende Bürger aus Mülheim an der Ruhr wollen mit einer Stiftung soziale und kulturelle Projekte fördern. NRW-Innenminister Behrens (SPD) verspricht vereinfachte Genehmigungsverfahren

AUS MÜLHEIM AN DER RUHRKLAUS JANSEN

Mülheim ist eine arme Stadt, aber Mülheim hat auch reiche Bürger. Ein Teil von ihnen hat nun den Gemeinsinn entdeckt und sich zu einer „Bürgerstiftung“ zusammen geschlossen. „Wir wollen Projekte fördern, die unsere Stadt ansprechender, kinderfreundlicher und kulturell anspruchsvoller machen“, sagte der Bürgerstiftungsvorsitzende Hans Christoph von Rohr gestern bei der Vorstellung seiner Organisation im Gebäude der Ruhrwasserwerke in Mülheim.

Insgesamt 100.000 Euro Startkapital haben die Stiftungsmitglieder, unter ihnen vor allem ergraute lokale Unternehmer, bereits zusammen. Dabei soll es aber nicht bleiben: „Richtig Sinn macht so etwas erst ab einem Kapital in Millionenhöhe“, sagt von Rohr, selbst Rechtsanwalt und CDU-Wirtschaftspolitiker. Der Stiftungsbeirat müsse deshalb jetzt „Klinken putzen“ gehen. „Mülheim hat ja genug wohlhabene Bürger. Da werden wir jetzt im Lions und Rotary-Club werben“, kündigte von Rohr an. Locken kann er unter anderem damit, dass Stifter bis zu zehn Prozent ihres Jahreseinkommens stiften und von der Steuer absetzen können.

Ein erstes Projekt möchte die Stiftung schon in diesem Sommer starten: In der Mülheimer Innenstadt soll Eltern ermöglicht werden, ihre Kinder für ein paar Stunden in umgebauten Zigarettenkiosken in Betreuung zu geben. „Wir spielen dann den Patenonkel“, sagte Vorstandsmitglied Bernd Holger Mann. Allerdings: Selbst werden die Geldgeber nicht zum Babysitter – sie haben eine Trägergesellschaft finanziert.

Von so viel sozialem Engagement zeigte sich auch NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) begeistert, der eigens nach Mülheim gekommen war. „Wenn die öffentliche Daseinsvorsorge an ihre Grenzen stößt, braucht man bürgerschaftlichen Einsatz“, sagte er. Stiftungen könnten zwar nicht die Aufgaben der Kommunen übernehmen, aber Nischen in den Bereichen Kultur, Soziales und Bildung füllen, die der Staat nicht mehr besetzen könne. Ähnliches kam auch vom Stiftungsvorsitzenden von Rohr: „Wir haben nicht vor, den Kommunen unter die Arme zu greifen. Wir können Projekte fördern, aber nicht allein machen.“

Kritik äußerte von Rohr an dem komplizierten Genehmigungsverfahren, das ein „Hürdenlauf durch die Instanzen“ gewesen sei. „Manchmal wirkt es, als ob einem der Staat mit Absicht bürokratische Hindernisse in den Weg legt, um die Zähigkeit der Stifter zu testen“, sagte er.

Doch auch hier versprach Minister Behrens Abhilfe: Bis zum Frühjahr 2004 will er das Stiftungsrecht in Nordrhein-Westfalen vereinfachen. Durch den Wegfall von Genehmigungsvorbehalten sollen sich die Verfahren verkürzen. Auch wolle er seine Verwaltung zu mehr Tempo antreiben – „damit Stiften Spaß macht“, so der Minister.

In den kommenden Monaten geht die PR-Offensive für das Stiftertum weiter: Am 17. Juli veranstaltet der Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR) gemeinsam mit der Stadt Gelsenkirchen einen „Stiftungstag Ruhrgebiet“, um neue Stifter anzuwerben. Denn, so Minister Behrens: „Es gibt im Land zwar einen Stiftungsboom, aber wir haben international trotzdem noch Nachholbedarf bei bürgerschaftlichem Engagement.“