Prozess um Jesus

Heute geht der umstrittene Göttinger Theologe Lüdemann für seinen Lehrstuhl vor Gericht

Lüneburg taz ■ Die Jungfrauengeburt hält er für „historisch ein für allemal widerlegt“, nicht Jesus, sondern Paulus habe das Christentum begründet, die Auferstehung gar nicht stattgefunden. Das behauptet der Göttinger Theologieprofessor Gerd Lüdemann –- und steht deshalb heute vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg, um für seinen Lehrstuhl „Neues Testament“ zu streiten. Das niedersächsische Wissenschaftsministerium und die Göttinger Universität hatten dem Professor Ende 1998 den Lehrauftrag entzogen, weil er „der Bekenntnisgebundenheit seines Amtes nicht mehr gerecht wurde“. In einem Berufungsverfahren will Lüdemann nun erreichen, dass er seinen alten Lehrstuhl wieder erhält. Außerdem geht es für Lüdemann darum, „ob ein Theologieprofessor grundsätzlich ein bekenntnisgebundenes Staatsamt inne hat. Ich unterrichte meine Studenten nur über das Bekenntnis“.

Der Neutestamentler hatte sich mehrfach öffentlich vom Christentum losgesagt und Glaubensinhalte der Bibel bestritten. In seinem 1998 erschienen Buch „Der große Betrug. Und was Jesus wirklich sagte und tat“ belegte er seine Kritik unter anderem in einem „Brief an Jesus“. Studenten boykottierten darauf seine Vorlesungen, Professoren sowie die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen distanzierten sich öffentlich von ihm. Die Hochschule richtete ihm einen neuen Lehrstuhl für „Geschichte und Literatur des frühen Christentums“ ein. Theologiestudenten darf er nicht mehr prüfen.

Alle Versuche des Theologie-Professors, den Entzug seines Lehrauftrags zu verhindern, scheiterten. In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Göttingen im Mai 2002 den Lehrstuhlentzug für das konfessionsgebundene Fach als gerechtfertigt angesehen und seine Klage gegen den Bescheid abgelehnt. Dagegen ließ das OVG im Oktober 2003 die Berufung zu.

Kai Schöneberg