DIE IG METALL BRAUCHT KEINE TIPPS VOM KANZLER – ABER EINE NEUE SPITZE
: Das hat die Basis nicht verdient

Fast kann die IG Metall einem Leid tun: Etwas Demütigenderes als die Rufe ihrer Gegner nach „starken Gewerkschaften“ gibt es kaum – jener Gegner, die die IG Metall ansonsten immer als „Geldmaschine“ bezeichnen. Es ist weit gekommen mit der weltweit größten Industriegewerkschaft, wenn Politiker aller Couleur sich besorgt zeigen. Auch Kanzler Schröder hat sich nun in den Machtkampf eingemischt – und Peters & Co. ein paar nette Tipps gegeben. Tipp eins: Deutschland braucht Gewerkschaften, die Kompromisse mit den Arbeitgebern erreichen können. Tipp zwei: Deutschland braucht moderne Gewerkschaften. Was er nicht gesagt hat: Er, der Kanzler, braucht Gewerkschaften, die ihm in seiner so genannten Reformpolitik folgen und diese an die Gewerkschaftsbasis vermitteln.

Denn was heißt das: Deutschland braucht moderne Gewerkschaften? Auch Schröder weiß, dass die IG Metall moderner ist als ihr Ruf – zumindest in vielen Bereichen. Nur will das angesichts des Machtkampfs, den sich die oberste Funktionärsriege gerade leistet, niemand wissen. Als die IG Metall – zuletzt in Baden-Württemberg – die Angleichung der Entgelte von Arbeitern und Angestellten nach jahrelangen Verhandlungen mit den Arbeitgebern vereinbarte, nahm das Publikum davon kaum Notiz, weil die Personalie der Zwickel-Nachfolge alles überschattete. So existieren eine Reihe qualitativer Tarifabkommen unterhalb bloßer Lohnrunden – etwa zur beruflichen Qualifizierung. Und: Die Differenzierung des von vielen traditionellen Metallern als Heiligtum angesehenen Flächentarifs ist längst im Gange. Es gibt betriebliche Bündnisse für Arbeit, Öffnungsklauseln, Haustarifverträge oder flexible Arbeitszeitmodelle – im Osten wie im Westen.

Innovative Gewerkschaftsarbeit gibt es also längst. Nur wird sie von den Gewerkschaftsspitzen offenbar nicht zur Kenntnis genommen. Das hat sich beim Streik für die 35-Stunden-Woche gezeigt – diese Forderung ging an der Realität vieler Betriebe vorbei. Mit dem Ergebnis, dass die Frankfurter Spitzen ihren Hoheitsanspruch zu verlieren drohen. Kein Wunder, dass in den Betrieben der Ruf nach einem außerordentlichen Gewerkschaftstag lauter wird. Ein Großteil der Gewerkschaftsbasis will eine Führung, die sie mit Rücksicht auf eine veränderte Arbeitswelt repräsentiert – und nicht Rituale von vorgestern pflegt. Das wäre dann tatsächlich eine „moderne Gewerkschaft“. Und heißt noch lange nicht, zum bloßen Erfüllungsgehilfen Schröders zu verkommen. THILO KNOTT