RÜCKZUG AUS DEM GAZA-STREIFEN IST VORBILD FÜR DAS WESTJORDANLAND
: Guter Plan, Umsetzung offen

Als der palästinensische Expremierminister Mahmud Abbas vor einem Jahr zusammen mit seinem israelischen Amtskollegen Ariel Scharon die internationale Friedensinitiative Roadmap unterzeichnete, hofften viele politische Kommentatoren auf eine „historische Wende“ in der nahöstlichen Gewaltspirale. Doch kaum jemand würde heute den Gipfel von Akaba noch als historisch bezeichnen wollen. Genauso ist Vorsicht angebracht, die Entscheidung der israelischen Regierung, den Gaza-Streifen innerhalb von eineinhalb Jahren zu verlassen, eine historische zu nennen. Das wird sie erst, wenn sie wirklich umgesetzt wird.

Das endgültige Ende der Besetzung des Gaza-Streifens würde zwar noch keinen Frieden bringen. Aber es wäre doch eine historische Chance für die Palästinenser, die nun ihr Argument beweisen müssten, dass es ohne Besetzung keine Gewalt mehr gäbe. Gaza würde zu einem Modell für das Westjordanland. Bleibt es an den Grenzübergängen ruhig und fliegen keine Raketen mehr über die Trennanlagen, würde der Druck im In- und Ausland auf die israelische Regierung zunehmen, die Truppen und Siedler auch aus dem restlichen besetzten Land abzuziehen. Dauert die Gewalt hingegen an, dann kämen nicht nur sehr schnell die Soldaten erneut in die Flüchtlingslager von Rafah und Khan Younis zurück. Sondern die palästinensischen Widerstandsgruppen lieferten der israelischen Rechten, allen voran den jüdischen Siedlern, Rückendeckung für ihre Vermutung, dass der Terror nicht nur älter, sondern auch langlebiger ist als die Besetzung. Und dass die Siedlungen weder Grund für den Konflikt noch Hindernis für einen Frieden sind.

Ein Gelingen des Gaza-Plans ist keine Garantie für das Ende der Besetzung auch im Westjordanland, aber es ist die Voraussetzung. Die Unilateralität des Projekts entlässt die palästinensische Führung aus allen Verpflichtungen. Nicht weil sie vertraglich gebunden ist, sondern aus eigenem Interesse sollte sie beizeiten Anstrengungen unternehmen, um den künftig von ihr verwalteten Landstreifen auch zu kontrollieren. SUSANNE KNAUL