Scharons neuer Gaza-Plan verabschiedet

Israels Kabinett akzeptiert Rückzugsplan ohne Zeitrahmen und in abgeschwächter Form. Scharon verspricht Beginn des Rückzugs für März. Arbeitspartei entzieht Misstrauensvotum ihre Unterstützung. Siedlungen erhalten weiter Subventionen

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Einen Tag nachdem die israelische Regierung mit deutlicher Mehrheit einen reduzierten Abzugsplan aus dem Gaza-Streifen ratifiziert hat, mehrten sich gestern die Stimmen im Land, die auf eine große Koalition drängen. Aktuellen Umfragen zufolge wünschen sich knapp 60 Prozent der Bevölkerung den Einzug der Arbeitspartei in die Regierung. Ohne die Minister der Nationalen Einheit, die Regierungschef Ariel Scharon Ende vergangener Woche feuerte, und ohne die Nationalreligiöse Partei, die intern über eine Fortsetzung der Koalition zerstritten ist, wären dem Regierungschef praktisch die Hände gebunden.

„Wenn die Regierung unser politisches Programm übernimmt, gibt es für uns keinen Grund, sie nicht zu stützen“, stellte der Abgeordnete Chaim Ramon (Arbeitspartei) gegenüber dem Radiosender „Stimme Israels“ fest. Offiziell finden vorläufig noch keine Koalitionsverhandlungen statt. Oppositionsführer Schimon Peres versicherte, man habe noch kein Angebot gehört. Er bedauerte, dass der Abzugsplan aus dem Gaza-Streifen ohne zeitlichen Rahmen ratifiziert wurde. Dennoch entschied seine Partei nach der Regierungsentscheidung, ihr für gestern geplantes Misstrauensvotum zurückzuziehen. Es blieben jedoch zwei Misstrauensanträge der ultraorthodoxen Schass-Partei und des neuen linken Bündnisses Jahad unter der Leitung von Exjustizminister Jossi Beilin bestehen.

Die Schass-Partei, Jahad und die arabischen Parteien fanden sich in seltener Übereinstimmung zusammen, um gegen Scharon zu stimmen. Während Schass die aus der Koalition entlassene Nationale Union unterstützen wollte, lehnen Beilin und die arabischen Parteien die derzeitige Regierung grundsätzlich ab. Der arabische Abgeordneter Ahmad Tibi kommentierte: „Wir müssen diese Regierung stürzen, selbst wenn das bedeutet, für ein von der Schass eingereichtes Misstrauensvotum zu stimmen.“ Nach Ansicht der Abgeordneten Sahava Galon (Jahad) sei das, „was vom Abzugsplan übrig geblieben ist“, die Stimmen ihrer Partei nicht wert.

Die Streichung der Paragraphen, die die Räumung der jüdischen Siedlungen festhielten, war Bedingung für drei Likud-Minister, den Abzugsplan zu befürworten. Die Auflösung von Siedlungen erfordert somit eine erneute Regierungsentscheidung. Scharon verpflichtete sich indes gegenüber der liberalen Schinui-Partei, mit der Evakuierung der Siedler spätestens im März kommenden Jahres zu beginnen. Neu im Plan ist ein Paragraph zum „Schutz der gemeinschaftlichen Lebensstruktur“ in den für die Räumung vorgesehenen Siedlungen, was den weiteren Ausbau entsprechend des natürlichen Wachstums garantiert. Scharons ursprünglicher Plan sah das komplette Einfrieren des Baugeschehens vor. „Warum sollen wir in Siedlungen investieren, die in ein paar Monaten schon nicht mehr existieren werden?“, zeigte er sich verständnislos, stimmte dem Kompromiss aber dennoch zu.