Hartz-Reform bleibt wirkungslos

Arbeitslosenquote sinkt auch im Mai nur geringfügig: In Düsseldorf wächst die Sorge um die nächste Stufe der Arbeitsmarktreformen – denn die bringen Leistungskürzungen für Hunderttausende

VON ANDREAS WYPUTTA

Die erhoffte Frühjahrsbelebung am Arbeitsmarkt ist auch im Mai ausgeblieben: Zwar sank die Zahl der Arbeitssuchenden um rund 20.000 auf 892.020 und lag damit zum ersten Mal in diesem Jahr unter 900.000. Die Arbeitslosenquote fiel von 10,3 auf 10,2 Prozent. In Nordrhein-Westfalen waren im vergangenen Monat 17.570 Menschen mehr arbeitslos als im Mai 2003. Grund dafür sei neben der schwachen Konjunktur eine allgemeine Unsicherheit, ob wirklich ein Aufschwung bevorstehe, so Christiane Schönefeld, Chefin der nordrhein-westfälischen Regionalagentur der Bundesagentur für Arbeit, dem ehemaligen Landesarbeitsamt.

Unsicher bleibt auch die Situation der Arbeitssuchenden: „Die Angst, die Wut, die Verzweiflung sind groß“, klagt Barbara Dieckmann vom Erwerbslosenausschuss der Gewerkschaft verdi – massive Leistungskürzungen drohen besonders Langzeitarbeitslosen. „Rund 60 Prozent der Arbeitssuchenden werden weniger bekommen, 20 Prozent erhalten überhaupt keine Leistungen mehr“, sagt Barbara Steffens, arbeits- und sozialpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion. „Besser gestellt wird kaum jemand.“

Kein Wunder: Das bisherige Arbeitslosengeld, berechnet nach dem letzten Verdienst, wird ab Januar nur noch ein Jahr lang ausgezahlt. Danach stehen Alleinstehenden nur noch ein Regelsatz von 345 Euro plus Wohngeld zu. Außerdem wird das Einkommen von Lebenspartnern voll angerechnet – egal wie lange oder wie viel in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt wurde. Die Stimmung der Arbeitssuchenden sei „sehr angespannt, sehr hilflos“, sagt Gewerkschafterin Dieckmann: Die Arbeitsagenturen beginnen bereits mit dem Versand von siebenseitigen Formularen, in denen Arbeitslose ihre Vermögensverhältnisse rückhaltlos offen legen müssen – und die der Lebenspartner. Gefragt wird auch nach der Größe der Wohnung, nach eventuell vorhandenen Autos oder nach Wertsachen und Schmuck.

Die besonders von NRW-Wirtschafts- und Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) in seinem Konzept des „Fördern und Fordern“ versprochene Unterstützung durch individuelle, bessere Beratung der Arbeitssuchenden dagegen fehlt: Durch den Streit um finanzielle Entlastungen der Städte, die nach den Hartz-Reformen künftig das Wohngeld auszahlen sollen, wird wertvolle Zeit verschenkt – manche Kommunen wollen mit den Arbeitsagenturen zusammenarbeiten, andere nicht. „Fördermaßnahmen müssten aufgebaut werden, doch das findet im Moment nicht statt“, so Steffens. „Von dem ganzen Geschwätz des Fördern und Forderns bleibt nur das Fordern übrig“, klagt auch Thomas Münch vom Kölner Arbeitslosenzentrum Kalz. Ausgerechnet Rot-Grün betreibe den größten Sozialabbau seit Gründung der Republik: „Die SPD hat ihre eigene Klientel verraten.“