Flughafenbahnhof in der Schwebe

Regionalflughafen Lübeck will mit einem Bahnhof an den Verkehr angeschlossen werden. Alternative für Hamburg? Wirtschaftsminister Rohwer (SPD) erklärt das negative Verkehrsgutachten von November 2002 zur Makulatur

Von GERNOT KNÖDLER

Die Frage, ob der Regionalflughafen Lübeck-Blankensee einen eigenen Bahnhof erhalten wird, ist weiter offen. Ein Verkehrsgutachten im Auftrag des Landes Schleswig-Holstein hatte eine solche Station wegen zu geringer Fahrgastzahlen als unsinnig bewertet und Vertreter Lübecks wie die CDU-FDP-Opposition im Landtag auf die Barrikaden gerufen. Wirtschaftsminister Bernd Rohwer (SPD) beeilte sich zu versichern, dass noch nichts entschieden sei.

Die Stadt Lübeck hat für einen der neuen Bahnhöfe, die das Land auf der Strecke nach Lüneburg bauen möchte, drei Standorte vorgeschlagen: den neuen Hochschulstadtteil, den Flughafen und den Ausbildungspark auf dem Grundstück der ehemaligen Hanseatenkaserne. Bei einem Vergleich dieser Varianten durch Gutachter des Stationsbüro Schleswig-Holstein schnitt der Flughafen am schlechtesten ab.

Das Arbeitsergebnis der Gutachter war Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) höchst unwillkommen. Den Flughafen nicht mit einem Bahnanschluss zu versehen, sei kurzsichtig, warnte er. Er und seine Kollegen könnten die Schlüsse der Gutachter nicht nachvollziehen, erklärte der CDU-Landtagsabgeordnete Thorsten Geißler und der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion Heiner Garg deutete an, das Ergebnis sehe aus wie bestellt: Wirtschaftsminister Rohwer bemühe sich um den Ausbau des Verkehrslandeplatzes Kiel-Holtenau. Jetzt liege ein Gutachten im Auftrag eben dieses Ministers vor, das eine Attraktivitätssteigerung des Konkurrenzflughafens Lübeck-Blankensee verhindere. Garg: „Nur ein Schelm könnte Böses dabei denken.“

Der gescholtene Minister reagierte am selben Tag mit einer Erklärung, in der er das Gutachten als überholt bezeichnete. Die Potenzialanalyse aus dem November 2002 habe beim Vergleich der Lübecker Standorte vor allem das lokale Fahrgastaufkommen bewertet. „Sie konnte dabei die rasante Entwicklung des Lübecker Flughafens in diesem Jahr nicht berücksichtigen“, so Rohwer.

Peter Steppe, der Geschäftsführer des Lübecker Flughafens, rechnet für 2003 mit 500.000 Fluggästen. Das wären doppelt so viele wie 2002. „Wenn es gut läuft, werden es im Jahr 2004 schon an die 700.000 Passagiere sein“, sagt er. Die Verkehrsgutachter vom Stationsbüro legten ihrer Analyse dagegen ein Passagieraufkommen von 500.000 in 2010 zugrunde. Fehlende Linienverbindungen, die allgemeine Luftfahrtkrise und die Anwohnerproteste in Blankensee begrenzten das Wachstum.

Steppe argumentiert mit den Billig-Anbietern. Sie hätten eine zusätzliche Nachfrage geschaffen, von der ein Regionalflughafen wie Lübeck profitieren könne. Die irische Erfolgsfirma Ryan Air bewirbt den Flughafen Lübeck zum Beispiel als „Hamburg-Lübeck“. Neben der Verbindung nach London-Stanstedt kündigte sie an, für dieses Jahr weitere Linien nach Bergamo, Stockholm-Skavsta und Pisa anzubieten.

Die Landesregierung will die Potenzialanalyse jetzt um eine Befragung unter Fluggästen ergänzen. Die landesweite Verkehrsservice-Gesellschaft soll diese in einen abschließenden Standortvergleich einfließen lassen, der auch das überregionale Potential an Bahnfahrgästen berücksichtigen soll. Im Herbst soll das Ergebnis vorliegen.