EINE MILITÄRINTERVENTION IM KONGO WÜRDE DIE LAGE VERSCHLIMMERN
: UNO und EU sind ratlos

Der Friedensprozess in der Demokratischen Republik Kongo erlebt seine bisher schwerste Herausforderung. Dass einige tausend Rebellen einfach eine 500.000 Einwohner zählende Provinzhauptstadt voller UN-Truppen einnehmen, hat im Kongo Empörung hervorgerufen und die gesamte internationale Gemeinschaft verunsichert. Aber Verunsicherung ist ein schlechter Ratgeber. Wie schlecht, zeigte sich bei den jüngsten Vorstößen aus Brüssel und Paris, im Ostkongo eine europäische Militärintervention zu starten, um die Stadt Bukavu von den neuen Rebellen zurückzuerobern.

Das letzte Mal, dass französische Soldaten in diesem Teil der Welt aktiv waren, war vor zehn Jahren, als sie das für einen Völkermord verantwortliche damalige Regime von Ruanda über die Grenze in den heutigen Kongo retteten. Das war nicht nur eine verbrecherische Parteinahme, sondern auch der Beginn der Destabilisierung Ostkongos durch massive Flüchtlingsströme aus Ruanda, wovon sich die Region bis heute nicht erholt hat. Eine neue französische Truppe an der Grenze zu Ruanda wäre eine Kriegserklärung.

Den Friedensprozess im Kongo zu retten, ist heute keine Sache militärischer Muskelspiele. Es geht vielmehr darum, den Friedensprozess überhaupt im Ostkongo ankommen zu lassen. Was in Kinshasa als Allparteienregierung der früheren Kriegsparteien daherkommt, erscheint in den ostkongolesischen Kivu-Provinzen als angespanntes Nebeneinander der Armeen dieser Parteien. In Kinshasa sitzen die Warlords gemeinsam im Kabinett – in Kivu stehen sie sich Gewehr bei Fuß gegenüber. Das war nie ein Frieden, sondern bestenfalls ein kalter Krieg, und in Bukavu ist dieser jetzt heiß geworden. Der dringendste Schritt zum Frieden im Ostkongo wäre, wenn Kongos Allparteienregierung endlich die Demobilisierung von Bürgerkriegsarmeen und ihre Verschmelzung in eine neue nationale Armee beginnt. Dann gäbe es auch keine rivalisierenden Armeen in Bukavu mehr.

Doch das ist nur eine Dimension. Noch ist Kongos Friedensprozess eine Sache der Eliten; die verelendete Mehrheit ist nicht einbezogen. Das ist langfristig viel problematischer für Kongos Friedensprozess als der Krieg in Bukavu. Die gewalttätigen Demonstrationen in Kinshasa letzte Woche, als hunderttausende wütende Menschen nicht nur UN-Gebäude stürmten, sondern auch Zentralen der in der Regierung vertretenen Parteien und von Weißen frequentierte Einrichtungen, waren ein Fanal dafür, was für ein Unmutspotenzial sich zusammenbraut. Und darauf haben UNO und EU erst recht keine Antwort. DOMINIC JOHNSON