Kontrolle statt Dominanz

Der Spanier Iban Mayo gewinnt bei der Tour de France die schwere Etappe nach L’Alpe d’Huez, während sich Topfavorit Lance Armstrong das gelbe Trikot holt und Jan Ullrich zurückfällt

von MATTI LIESKE

„Wer als Erster dort ankommt, der gewinnt auch die Tour“, hatte Jens Voigt vom Team Credit Agricole kühn geweissagt. Nun, als Erster bewältigte die 21 Kehren hinauf nach L’Alpe d’Huez mit einer Durchschnittssteigung von 8 Prozent auf 13,8 Kilometern gestern der Spanier Iban Mayo, womit Voigts Prophezeiung eher wenig Aussicht auf Erfüllung hat. Zweiter der 8. Etappe wurde Alexander Winokurow vom Team Telekom, das gelbe Trikot holte sich Lance Armstrong, der mit 2:12 Minuten Rückstand auf den Tagessieger nach L’Alpe d’Huez kam. Ärgster Verfolger des Texaners ist derzeit 40 Sekunden zurück Joseba Beloki aus Spanien.

Vor zwei Jahren hatte Lance Armstrong mit seinem furiosen Etappensieg in L’Alpe d’Huez den Grundstein zu seinem dritten Toursieg gelegt, auch diesmal, wo Nummer fünf auf dem Programm steht, ließ er keinen Zweifel an seinen Ambitionen. Kaum waren die ersten Kehren des finalen Anstiegs erreicht, erfolgte der Angriff seines US-Postal-Teams – und er forderte sofort seine Opfer. Das gelbe Trikot von Richard Virenque, der fast zehn Minuten verlor, fiel zurück, und auch Jan Ullrich konnte dem Antritt nicht folgen.

Alle Verfolger vermochte Armstrong indes nicht abzuschütteln, und einige waren dreist genug, ihrerseits zur Attacke zu schreiten. Zuerst versuchten es Joseba Beloki und Iban Mayo, dann Alexander Winokurow, und schließlich wagte auch Tyler Hamilton die Majestätsbeleidigung. Dies, obwohl der US-Amerikaner vom Bjarne-Riis-Team CSC seit dem Massensturz auf der ersten Etappe mit gebrochenem Schlüsselbein fährt.

Lance Armstrong schien beeindruckt von den zahlreichen Angriffen, zumindest ließ er nichts von der Leichtigkeit erkennen, mit der er sonst derartige Ausreißversuche gekontert hatte. Der 32-Jährige fuhr seinen Rhythmus weiter und schaffte es am Ende, sowohl den Rückstand auf Mayo in Grenzen als auch seine gefährlichsten Rivalen wie Beloki, Mancebo, Hamilton, Ullrich im Zaum zu halten. Eine Demonstration von Übermacht war die Vorstellung Armstrongs jedoch diesmal nicht.

Die rund 200 Kilometer vor dem von den meisten Fahrern herzhaft verabscheuten Anstieg nach L’Alpe d’Huez hatten die Favoriten in trauter Eintracht zurückgelegt. Gemeinsam waren sie über die berüchtigten Pässe am Col du Telegraphe und vor allem am gewaltigen, 2.645 Meter hohen Galibier gerollt, und auch Jan Ullrich hatte in dieser Phase keine Probleme gehabt. Am Ende wurde der 29-Jährige 13., sein Rückstand auf Armstrong betrug rund anderthalb Minuten. In der Gesamtwertung belegt er vor der heutigen 9. Etappe mit 2:10 Minuten Rückstand auf den Amerikaner Rang 8. Der Toursieg ist damit in weite Ferne gerückt, aus dem Rennen um einen Platz auf dem Podium ist der Bianchi-Kapitän aber keineswegs.