„Künftig alles mit Chinesen abdecken“

Chinesisches Personal, chinesische Entwicklungen, chinesische Technologie – auf der Automesse in Peking zeigt Volkswagen, wie sich der Konzern in China von Wolfsburg abzunabeln gedenkt. Bis 2008 sollen 5,3 Milliarden Euro investiert werden

AUS PEKING GEORG BLUME

Bernd Leissner sagt es geradeheraus: „Nicht am deutschen Wesen soll China genesen.“ Rechtzeitig zur heute in Peking beginnenden größten Automesse der Volksrepublik gibt der dortige Vorstandschef von Volkswagen den Kollegen daheim zu verstehen, dass sie sich keine Hoffnung machen sollen, vom Autoboom in China zu profitieren.

Der Konzernname spricht in Zukunft immer weniger für seine Herkunft. Alles will VW jetzt auch „mit chinesischen Kollegen“ machen: Das sei, so Leissner, „strategisches Ziel“. Erstmals nennt er Pläne, China-exklusive Modelle aufs Band zu bringen. Damit klar ist, dass die Chinesen wirklich alles alleine können sollen: vom Design über die Entwicklung bis zur heute schon laufenden Produktion.

„Wir werden hier immer schneller, besser und passen uns der chinesischen Denkweise an“, zeichnet Leissner die Entwicklung vor. Dafür werde Volkswagen „das Feld möglichst schnell mit jungen chinesischen Ingenieuren abdecken“, so Barthel Schröder, Vorstandskollege für Technologie. Zwar benötigt das neue chinesische Fachpersonal noch Nachhilfe. Dafür aber wird gesorgt: Angefangen von der Technikfreigabe, die ab sofort „Schritt für Schritt von Deutschland nach Peking“ abwandere, werde Volkswagen, so Schröder, nur noch „die beste Technologie nach China bringen“. Dazu gehörten „neurartige Schweißverfahren“ und, wenn demnächst in China zugelassen, auch die weltweit führenden Dieseltechnologie. Geschützt sei der Technologievorsprung des Konzern dann durch neue Komponenten-Joint-Ventures, in denen VW 60-Prozent halte – im Gegensatz zu den 50-Prozent-Anteilen bei zwei Produktion-Joint-Ventures.

Doch ist der Technologietransfer aus der Konzernheimat nur als erster Schritt geplant. „In Deutschland gibt es nicht mehr die Menge an Ingenieuren, die wir in China brauchen“, stellt Leissner nüchtern fest. Also wird in Peking zunächst ein „Zentrallabor“ entstehen, von dem aus Kontakte zu chinesischen Unis geknüpft werden. Folgt man Leissner, stehen ihren Abgängern alle Wege offen: „Es werden Millionen von Arbeitsplätzen sein, die hier in der Autoindustrie entstehen.“ Für die Daheimgebliebenen bleibt nur kleiner Trost: „Die 20 Prozent importierter Teile in China, die aus der EU kommen, sorgen auch dort für mehr Arbeitsplätze“, sagt er.

Kaum verhüllt ist bei den Pekinger VW-Managern die Absicht, mit anderen VW-Standorten auf der Welt zu konkurrieren. „Wir werden exportfähig“, kündigt Schröder an und blickt an diesen Punkt auf „heftige Diskussionen“ im Konzern zurück. Offenbar fürchten die VW-Standorte Brasilien und Südafrika bereits heute die chinesische Konkurrenz. Grund dafür gibt es: 5,3 Milliarden Euro will VW bis 2008 in China investieren, um seine Kapazität von derzeit annäherend 800.000 auf 1,6 Millionen Pkws zu verdoppeln. Andere folgen VW: General Motors (GM) hat gerade China-Investitionen über 2,43 Milliarden Euro bis 2007 angekündigt, um seinen Output auf 1,3 Millionen Wagen zu steigern. Gemeinsam sind VW mit einem Marktanteil von etwa 30 Prozent und GM mit etwa 20 Prozent die größten Autohersteller Chinas. Auch ist China beider Konzerne größter Auslandsmarkt. GM will demnächst sogar die Luxuslimousine Cadillac hier herstellen. Kein Wunder also, wenn dem China-Management der Konzerne jede Rücksichtnahme auf die Heimat abhanden kommt: „Wenn wir in China zum größten Autoanbieter werden wollen, müssen wir einige Arbeitsplätze verlagern“, erklärt GM-Chinachef Phil Murtaugh. Genauso denkt sein deutscher Kollege Leissner, der größter Anbieter bleiben will. Das deutsche Wesen ist da nicht mehr gefragt.