„Ein bisschen Spaß muss sein“

Der 65-jährige Entertainer und Schlagersänger Roberto Blanco startete in den Fünfzigern in Deutschland seine Showkarriere. Mit positivem Denken und Dauerlächeln hält er sich den alltäglichen Rassismus vom Leib. Eine zweifelhafte Strategie

Interview JUDITH REKER

taz: Herr Blanco, Sie sind Mitte der Fünfzigerjahre nach längeren Aufenthalten im Libanon und in Spanien nach Deutschland gekommen. Wie haben die Leute damals auf Sie reagiert?

Roberto Blanco: Obwohl ich ja nicht der einzige Schwarze in Wiesbaden war – es lebten ja auch viele amerikanische Soldaten hier –, galt ich in dieser Zeit für viele als ein Exot, einer, der Chancen bei den Mädchen hat, weil er gut tanzen kann, gerne singt und Stimmung macht. Ich verkehrte aber auch in einer ganz anderen, eher weißen Szene, Deutsche, Italiener, Musiker, Tennisspieler. Zum Milieu der schwarzen Amerikaner fühlte ich mich nie bewusst hingezogen. Erstens kannte ich niemanden von ihnen, außerdem wohnten sie weiter weg in ihren Kasernen und gingen dort auch eher in ihre eigenen Läden.

Sie fielen in ihrer Szene auf, kamen gut an bei den Frauen. Gab es da nie unterschwellige rassistische Anspielungen?

Es gab sicher Neid. Aber, um ehrlich zu sein, ich habe nie Hass wegen meiner Hautfarbe gespürt. Wenn Leute mich anschauten, versuchte ich es positiv zu sehen. Man ist eben etwas Besonderes, also lässt man die Leute gucken. Besonders im Deutschland der Fünfzigerjahre. Aber ich war es schon aus meinen Internatzeiten im Libanon und in Madrid gewohnt, immer der einzige Schwarze zu sein.

Gibt es da ganz konkrete Erinnerungen?

Den ersten Tag im Internat im Libanon musste ich einen Moment vor dem Speisesaal draußen bleiben, der Lehrer ist reingegangen und hat den anderen gesagt, dass ein neuer Mitschüler käme, der etwas anders aussähe. Manche hatten noch nie zuvor einen Schwarzen gesehen. Als ich dann den Raum betrat, waren alle einen Moment wie erstarrt, aber dann ging das Essen und Geschirrklappern schnell weiter. Das war für mich wie ein Bühneneingang.

Und jetzt stehen Sie immer noch auf dieser Bühne.

Ich habe mir einen öffentlichen Beruf ausgesucht, ich wollte bekannt werden, klar wird man da zur Zielscheibe: „Immer, wenn der Roberto eine Kamera sieht, strahlt er.“ Soll ich eher weinen? Ich bin ein positiver Mensch – „Ein bisschen Spaß muss sein“ ist tatsächlich mein Lebensmotto. Und genau dieses positive Image habe ich hier in Deutschland.

Ist Blanco eigentlich Ihr Künstlername, eine Art Wortspiel mit Ihrer Hautfarbe?

Nein, meine Mutter hieß tatsächlich Blanco, in meinem Pass steht Roberto Zerquera Blanco.

In Informationen zu Ihrer Vita findet man den Zusatz: „alias Brauner Bomber“. Haben Sie sich diesen Namen selber gegeben?

Den schwarzen Boxer Joe Louis nannte man damals „Brauner Bomber“. Irgendwann schrieb ein Journalist über mich: „Brauner Bomber des Showgeschäfts“, und auch Dieter Thomas Heck kündigte mich damals häufiger so in seiner Sendung an. Ich fand dieses Bild positiv.

Vor allem die jüngere Generation von Schwarzen würde solche Bezeichnungen heute massiv ablehnen.

Ehrlich? Warum?

Weil es „weiße“ Klischees über Schwarze sind. In diesem Fall eines, das auf die mythische Sexualität schwarzer Männer anspielt.

Aber es war ja nicht negativ gemeint, im Gegenteil steht Bombe für Kraft, Temperament, Power. Boris Becker hat man ja auch Bum-Bum-Becker genannt!

Was ja nicht dasselbe ist.

Nein, aber vielleicht verstehen Sie an diesem Punkt genau, was ich meine, wenn ich sage: Man kann die Dinge verstehen, wie man will. Es kommt immer auf die persönliche Perspektive an! Ein anderes Beispiel: Als ich 1969 den Durchbruch als Schlagersänger mit dem Sieg bei den Deutschen Schlagerfestspielen hatte, da sagte der Produzent Jack White: „Amerika hat Stars. Deutschland braucht auch einen Negerstar.“

Die Leute fragten mich, was er damit meine, worauf ich antwortete: „Keine Ahnung. Wenn es bedeuten soll, dass er mich mit amerikanischen Größen, wie Sammy Davis Jr. vergleicht, dann verstehe ich es als eine große Ehre.“

Ist es eine Art Strategie geworden, eventuell vorhandene Rassismen einfach mit Positivität zu überdecken?

Natürlich habe ich kein Rezept dafür, wie man als Schwarzer in Deutschland Rassismus und Ablehnung, die es ja gibt, entgeht! Ich kann nur von mir reden, und da hat es immer geklappt. Auf die Leute zugehen, lächeln. Wird es nicht erwidert, dann dennoch lächeln, weitergehen und zusehen, wie andere sich ärgern, dass ihre Negativität nicht an dich herankommt.

Und das funktioniert nun schon seit 47 Jahren?

Bei mir schon. Ich will nicht jedes Mal analysieren, was die Leute nun denken und wie sie mich angucken. Das ist nicht mein Problem. Ich will mich nicht mit dem beschäftigen, was jeder denkt. Es ist nicht gut, jedes Mal zusammenzuzucken, wenn man das Wort Neger hört. Denn im Endeffekt wird die Anspannung dann immer stärker, man selbst immer negativer.

Also ist es vor allem die Aufgabe Nichtweißer, mit diesen diskriminierenden Begriffen umzugehen?

Nein, freilich müssen beispielsweise auch Eltern ihren Kindern sagen, dass es nicht Neger, sondern Schwarzer oder Farbiger heißt. Aber das ist eine Sache des Feelings. Jeder muss bei sich selbst anfangen.