GESUNDHEITSREFORM: BETROFFENE HABEN EIN RECHT AUF TRANSPARENZ
: Zynische Dichthalte-Taktik

Maulhalten ist nötig, wenn etwas erreicht werden soll. Deshalb sagen wir euch jetzt nichts. Das war die Botschaft, für deren Verbreitung die Gesundheitsreform-Verhandler am Samstag zu einer Pressekonferenz luden. Das ist dreist. Wer samstags um vier zu Spontanterminen bittet, sollte dem Publikum auch Nachrichten zu verkünden haben – sonst reagiert es mit Zynismus und nimmt die Politiker nicht mehr ernst.

Andererseits ist schon verständlich, warum nach einer Woche Verhandlungen nur bekannt ist, dass es einen Kompromiss geben soll und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und Unions-Verhandlungsführer Horst Seehofer gut gelaunter Hoffnung sind, dass es einen Kompromiss auch geben wird. Schließlich würde jede Einzelheit sofort in der Luft zerfetzt. Die Lager würden sich über Pressestrategien streiten, die Lobbys ins Gefecht eintreten, bevor die Parteien überhaupt begriffen haben, was ihre Vertreter da ausgeheckt haben.

Der eigentliche Zynismus aber steckt in der Dichthalte-Taktik der Konsensrunde. Erst einmal ist es eine Unverschämtheit, dass Politiker sagen, Politik lasse sich nur im Geheimen machen. Das Argument jedoch, man wolle der Öffentlichkeit keine Details, sondern ein rundes Paket anbieten – einen „Kompromiss, der deutlich macht, dass alle Beteiligten zurückstecken mussten“, so die Standardformel –, zieht überhaupt nicht.

Erstens interessiert die Gesichtswahrung von Politikern unter demokratischen Aspekten nicht. Zweitens geht es nicht nur darum, dass alle Verhandler Einbußen hinnehmen müssen. Sondern vor allem darum, dass alle Betroffenen – Patienten, Ärzte und so weiter – Einbußen hinnehmen müssen.

Eine Gesundheitsreform, so unterstellt die Dichthalte-Taktik, funktioniert nur, wenn alle gleichzeitig von ihrem Unglück erfahren, gemeinsam aufschreien und sich die Wehklagen gegenseitig neutralisieren. Wo alle schreien, muss man keinen mehr ernst nehmen. Und diese Strategie werden die Konsenspolitiker uns nachher auch noch als Erfolgsrezept verkaufen. ULRIKE WINKELMANN