Schrumpf-Käfig nach Ehlens Elle

Niedersachsen kassiert einen Erlass, der Käfighühnern weniger Platz gewährt als bundesweit erlaubt. Der Kniff des Agrarministers: Bereits errichtete Volieren genießen Bestandsschutz

VON KAI SCHÖNEBERG

Sie haben jetzt nicht mehr nur ein knappes DIN A4-Papier zum Leben, sondern sogar anderthalb Blätter dieser Größe: Seit Anfang des Jahres werden Legehennen Volierenhühner genannt – und ein bisschen weniger eingepfercht.

Durch die bundesweite Umsetzung einer EU-Verordnung müssen die Käfigtiere nun 800 statt bislang 550 Quadratzentimeter Platz zur Verfügung haben. Erlaubt ist zudem nur noch „Kleingruppenhaltung“ statt Einzelhaft – in den Volieren genannten Großkäfigen.

Für Grundbedürfnisse wie Scharren und Sandbaden reiche auch das Aus für die bisherige Käfighuhnhaltung nicht, bemängeln Tierschützer. Niedersachsen, das Land der Hühnerfarmen, ist nun mit dem Versuch gescheitert, die ohnehin schon laxe Regelung zu unterlaufen.

Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) habe sich zum Rückzug eines Volieren-Erlasses entschlossen, bestätigte ein Sprecher gestern Presseberichte. Offenbar wollte keiner von Ehlens Agrarminister-Kollegen in Bund und Ländern dem auch rechtlich heiklen „niedersächsischen Weg“ folgen, der auch zu Wettbewerbsverzerrungen hätte führen können. Druck aus Berlin bewegte Ehlen letztlich zum Rückzug. Noch vor zehn Monaten hatte er verfügt, dass auch die Nistzone in die Volierenfläche eingerechnet werden dürfe.

Die Opposition nannte das „Beihilfe zur Tierquälerei“. Es war ein Geschenk an die heimischen Produzenten, die immerhin 3,5 der bundesweit jährlich produzierten elf Milliarden Eier auf den Markt bringen. Der Ehlen-Kniff führte zu um zwölf Prozent geschrumpften Käfigen: Passten in Niedersachsen 60 Hennen in eine Voliere, sind es anderswo nur 54. Offenbar hatte sich Ehlen dem Gegacker der Geflügelwirtschaft im Land gebeugt. Die fürchtet für ihre 13 Millionen Hühner Umrüstungskosten in Höhe von bis zu 250 Millionen Euro.

So teuer wird es trotz der Rücknahme des Erlasses nicht werden. Bereits nach den Ehlen-Maßen errichtete Volieren haben nämlich Bestandsschutz. So freuten sich SPD und Grüne zwar gestern über einen „kleinen Erfolg“. Dass bereits nach Ehlens Elle umgebaute Anlagen mit weniger Platz in Betrieb bleiben dürften, sah der grüne Landwirtschaftsexperte Christian Meyer jedoch als „Kniefall der Landesregierung vor den Hühnerbaronen“.

Die meisten Stallumbauten seien wahrscheinlich längst gelaufen. Niedersachsen dürfe nicht mit zweierlei Maß messen und müsse diesen „Rechtsbruch zu Lasten des Tierschutzes“ vollständig aufheben, forderte Meyer. „Die Käfighaltung von Hühnern war und ist eine nicht artgerechte Haltung und wird von der Mehrheit der Verbraucher abgelehnt.“