Blair kämpft weiter

Großbritanniens Regierung geht zwar wegen ihrer Irak-Dokumente in Deckung. Doch Blair bastelt an neuen Interventions-Rechtfertigungen

DUBLIN taz ■ Tony Blair ist immer noch auf dem Kriegspfad. Der britische Premier legte auf einem Gipfeltreffen „progressiver Regierungen“ einen Erklärungsentwurf vor, der den westlichen Demokratien freie Hand ließe, „Schurkenstaaten“ anzugreifen.

„Das Recht auf Souveränität bringt Pflichten mit sich, die Bürger zu schützen“, heißt es in dem Papier. „Wenn eine Bevölkerung auf Grund eines internen Krieges, eines Aufstands oder wegen Unterdrückung und staatlichem Versagen schwer leidet und der Staat nicht willens oder in der Lage ist, das zu stoppen, muss das Prinzip der Nicht-Intervention zugunsten der internationalen Verpflichtung des Schutzes aufgegeben werden.“ Laut Independent on Sunday löste das Papier einen heftigen Streit mit Bundeskanzler Schröder aus. Dies ließ Blair umgehend dementieren.

Blairs Dokument ist auch eine nachträgliche Rechtfertigung für den Angriff auf den Irak, denn von den damals genannten Gründen ist kaum noch etwas übrig. Gefälschte, veraltete und abgekupferte Dokumente, mit denen die vom Irak ausgehende Gefahr übertrieben wurde, haben Blairs Glaubwürdigkeit schwer erschüttert. Nun ist ihm auch noch George W. Bush in den Rücken gefallen. Die Behauptung, der Irak habe atomwaffenfähiges Uran im Niger kaufen wollen, hätte aus der Rede des US-Präsidenten an die Nation Ende Januar gestrichen werden müssen, da sie nachweislich falsch war, gab Washington bekannt. Bush sagte, die CIA habe seine Rede damals jedoch abgesegnet.

Doch die CIA hatte ihre britischen Kollegen bereits im September vorigen Jahres gebeten, die Niger-Geschichte aus einem Dossier zu streichen. Der britische Außenminister Jack Straw räumte das ein. Man habe die irakische Niger-Verbindung jedoch im Dossier belassen, weil die US-Spitzel keine Gründe für ihre Bitte genannt hätten. Darüber hinaus stütze sich die Behauptung auf „Erkenntnisse ausländischer Geheimdienste“, die man der CIA vorenthalten habe, sagte Straw. Seit ein paar Wochen spricht der Außenminister von den Massenvernichtungswaffen allerdings immer häufiger in der Vergangenheitsform: Hieß es bisher, der Irak habe diese Waffen, so sagt Straw nun, dass er sie mal hatte – was niemand bestreitet. Blair beharrt zwar trotzig darauf, dass man bei Gelegenheit Massenvernichtungswaffen finden werde, doch in letzter Zeit spricht er öfter von „Waffenprogrammen“, die man aufdecken werde – ein Zettel vielleicht, auf dem sich Saddam eine Atombombe wünscht?

Blair gerät jedenfalls immer stärker in Bedrängnis. Die Stimmen, die eine unabhängige Untersuchung fordern, mehren sich. Viele Labour-Hinterbänkler fühlen sich hinters Licht geführt. Und die Eltern gefallener britischer Soldaten erklären öffentlich, dass man sie betrogen habe. RALF SOTSCHECK