Der Krieg ist Bush auf den Fersen

Gefälschte Dokumente, Guerillakrieg im Irak, immer mehr tote US-Soldaten: Der US-Präsident gerät innenpolitisch zum ersten Mal ernsthaft unter Druck

aus Washington MICHAEL STRECK

Selten seit seinem Amtsantritt 2001 hat sich US-Präsident George W. Bush so sehr in der Defensive befunden. Während er fünf Tage durch Afrika tourte und sein Image als „mitfühlender Konservativer“ aufpolieren wollte, brauten sich in der US-Hauptstadt schwere Gewitter zusammen. Bushs Themen, Aids und der Kampf gegen Terror in Afrika, rückten auf der Reise fast vollständig in den Hintergrund. Mitreisende Reporter interessierten sich stattdessen für vermeintliche Kriegslügen, gefälschte Geheimdienstpapiere und den Guerillakrieg im Irak. Seit einer Woche befindet sich das Weiße Haus in akuter, fast täglicher Erklärungsnot.

Der erste Blitz schlug ein, als die Bush-Regierung zugeben musste, dass die Behauptung, der Irak habe in Afrika Uran kaufen wollen, um Atombomben herzustellen, auf gefälschten Informationen basierte. Fast zeitgleich hagelte es heftige Kritik vom Kongress-Untersuchungsausschuss „11. September“, der die Versäumnisse der Regierung im Vorfeld der Terroranschläge überprüfen soll. Er warf der Bush-Regierung vor, durch mangelnde Kooperationsbereitschaft die Untersuchung zu verschleppen. Und dabei handelt es sich um keinen Angriff der Opposition. Der Ausschuss wird von einem treuen Republikaner geleitet.

Auch der Irak kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. Die Befriedung und der Wiederaufbau wollen nicht gelingen. Fast täglich werden US-Soldaten getötet. Militärexperten und Kongressabgeordnete sprechen offen vom Guerillakrieg und räumen ein, die bisherige Strategie der USA im Zweistromland sei gescheitert. Langsam setzt sich in Washington die Einsicht durch, dass die Nachkriegsordnung nicht ohne die Hilfe der UNO und der Europäer erfolgreich gestaltet werden kann – eine 180-Grad-Wendung im Vergleich zu allen bisherigen Versuchen, Kontrolle und Wiederaufbau im Irak zu monopolisieren.

Und schließlich reagiert ausgerechnet das Pentagon immer zurückhaltender, was den Einsatz von noch mehr US-Streitkräften im Irak anbetrifft. Der tägliche Blutzoll, die offene Anfeindung der Besatzer und die in die Höhe geschnellten Militärkosten haben den Generälen die Lust an Krieg und Friedenssicherung verdorben.

Deutlicher Unmut herrscht zudem in heimischen Militärcamps und Soldatenfamilien. Die Aussicht auf eine jahrelange Besatzungszeit im Irak kommt vielen einem gebrochenen Versprechen gleich. Davon war in Bushs hoffnungsvollen Ankündigungen nie die Rede. Ein schneller, erfolgreicher Krieg, die Absicherung einer kurzen Übergangszeit und dann wieder ab nach Hause – so hatte es ihnen der oberste Feldherr immer wieder suggeriert. So wachsen in der Bevölkerung die Zweifel. Nach einer neuesten Umfrage der Washington Post und des Fernsehsenders ABC hat Bush beim Wahlvolk innerhalb von nur drei Wochen deutlich an Rückhalt verloren. Nur noch 59 Prozent sind mit seiner Amtsführung zufrieden. Erstmals seit Beginn des Irakkrieges ist eine Mehrheit von 52 Prozent der Ansicht, die Todesopfer unter den US-Soldaten seien nicht weiter vertretbar.

Das Gefühl, auch dieser Präsident könne straucheln und 2004 besiegbar sein, hat zumindest einige Demokraten aus ihrer Angriffsstarre befreit. Die Senatoren John Kerry und Joseph Lieberman, beide Präsidentschaftskandidaten, sehen sich nun in ihrer anfänglichen Kritik bestätigt, dass es einfacher würde, den Krieg statt den Frieden zu gewinnen. Bushs Umgang mit der Wahrheit und die Frage „Wie weiter im Irak?“ schälen sich allmählich als ein beherrschendes Wahlkampfthema heraus. Für Bush könnte damit die Leine zu seinem Rettungsboot, den Themen Außenpolitik und nationale Sicherheit, reißen, das diese Regierung so trefflich durch die Untiefen der innenpolitischen Probleme wie Rekordarbeitslosigkeit, Haushaltsmisere und die träge Wirtschaft manövriert hat.