16 Quadratmeter, fünf Insassen

Ex-Häftling klagt wegen „menschenunwürdiger Zustände“ in der Justizvollzugsanstalt Hannover auf Schmerzensgeld. Heute fällt vorm Landgericht das Urteil

HANNOVER taz ■ Ein Besuch der Tochter kann auch ganz unangenehm sein. Vor allem, wenn man Häftling ist und per Gefangenentransport Zwischenstopp im Knast in Hannover machen muss. Dort müssen Häftlinge mitunter zu fünft tagelang auf 16 Quadratmetern vor sich hin vegetieren.

So geschehen im Fall von Andreas H., der heute vor dem Landgericht in Hannover Furore machen dürfte. Richter Hans-Dieter Kimmel hatte schon während der Verhandlung gerügt, dass das Land Niedersachsen mit der Überbelegung seiner Zellen die Menschenwürde missachtet habe. Heute bei der Urteilsverkündung dürfte Andreas H. dennoch nur ein klägliches Schmerzensgeld erhalten: Von 200 Euro ist auszugehen.

Gerade drei Quadratmeter hatte H. für sich, als er im vergangenen September zwei Tage lang im so genannten Transporthaus der Justizvollzugsanstalt Hannover untergebracht war – die Latrine war nur durch einen Vorhang vom Rest des „Raums“ abgetrennt. Laut EU-Vorschrift stehen Häftlingen jedoch mindestens 7,6 Quadratmeter zu.

„Das Schlimme ist: 100 Häftlingen ging es zum gleichen Zeitpunkt genauso“, sagt H.’s Anwalt Axel Feller. In Niedersachsens Knästen herrscht akuter Notstand: Derzeit werden die Zellen im Transporthaus renoviert, zwei JVAs in Sehnde und in Rosdorf sind im Bau.

Das hilft H. heute wenig. Der damals 25-Jährige hatte wegen Betrugs im bayerischen Amberg gesessen. Weil er zu seiner Tochter nach Bielefeld wollte, war er in Hannover gelandet. Die hiesige JVA ist ein Knotenpunkt für Knast-Transporte.

Als H., inzwischen wieder auf freiem Fuß, beschieden wurde, eine Verlegung sei nicht möglich, hatte er sich schriftlich beschwert – und so die Klage losgetreten.

Im strafrechtlichen Prozess hat das Landgericht bereits die Unterbringung für „menschenunwürdig“ gehalten und sich dabei auf das Grundgesetz (Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“) sowie auf eine analoge Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts berufen.

Schon während des Prozesses um das Schmerzensgeld empörte sich Richter Kimmel über die Knast-Zustände – und deutet an, dass man das vom Anwalt beantragte Schmerzensgeld ruhig noch erhöhen könnte.

KAI SCHÖNEBERG