Rambo des Rap

Gewohnt ungehobelt: Auf Azad aus Frankfurts Nordweststadt kann sich die Szene derzeit einigen. Weil er seinen Migrantenhintergrund weiterhin thematisiert, verkauft er sich schlechter als andere

Seine Zuhörer tummeln sich in Jugendhäusern und Sozialprojekten

von THOMAS WINKLER

Was für eine Arbeitsplatzbeschreibung: Er ist die „Ein-Mann-Armee“, ist „Chef in dem Scheiß“, er ist der „Rambo des Rap“. So, wie Azad, Rapper aus Frankfurt, in seinen Reimen die Aufgabe umreißt, die sich ihm stellt, klingt das großkotzig und größenwahnsinnig, aber immerhin ja nach einem krisenfestem Job.

Allein, der Titel des besten Rappers bundesweit ist weniger Geburtsrecht denn ein virtueller Schatz, dessen Besitz es zu verteidigen gilt. Zudem: Wer gerade auf dem Thron sitzt, hängt davon ab, wen man fragt. Die Anhänger des Zuhälter-Jargons favorisieren Kool Savas, jenen, die einen geschliffenen Binnenreim zu schätzen wissen, gilt Dendemann als Meister, die Freunde des Flows bevorzugen Samy Deluxe, die Bedenkenträger lieben Curse und die Friseuse in uns allen findet in heimlichen Stunden Fettes Brot sehr knuffig.

Wenn man allerdings die Anwärter selbst fragt, können die sich noch am ehesten auf Azad einigen. Dass dessen kompromisslos herausgespuckten Reime, in denen konkurrierende Rapper schon mal „exekutiert“ oder doch mindestens als „Mösen“, „Nutte“ oder „schwul“ diffamiert werden, vom inhaltlich nahe stehenden und zudem befreundeten Savas wertgeschätzt werden, ist nicht überraschend. Aber auch jemand wie Süßholzraspler Curse lobt in Interviews den Frankfurter Kollegen und bekräftigt mit den im Geschäft üblichen Kollaborationen Verbundenheit. Azad ist ein „artist’s artist“. Einer, dessen Platten es mit knapper Not in die Top 50 schaffen, während man sich in der Szene auf ihn einigen kann.

Erworben hat sich Azad diesen Ruf nicht nur mit seinen atemlosen Raps, sondern vor allem mit einer Biografie wie aus dem HipHop-Märchenbuch. Aufgewachsen als Kind kurdischer Flüchtlinge in der Frankfurter Nordweststadt, einem veritablen sozialen Brennpunkt, soll Azad sich bereits als 14-Jähriger bei Jams auf die Bühne gedrängelt haben. Zwei Jahre später wurde er Gründungsmitglied der Asiatic Warriors, die lange vor den Brothers Keepers mit den bis dahin radikalsten englischen, deutschen und türkischen Texten aus der Sicht von Migranten in die deutsche HipHop-Geschichte eingingen. Die Warriors adaptierten das militante Auftreten von Public Enemy und die Ghetto-Mentalität von N.W.A. für bundesrepublikanische Verhältnisse.

Konkurrierende Rapper diffamiert er als „Mösen“, „Nutten“ oder „schwul“

Damit gaben sie den unterprivilegierten Kids aus den ethnischen Minderheiten der Innenstädte eine Stimme, erreichten aber nicht den Nachwuchs des Bürgertums. Folgerichtig ging der kommerzielle Aufbruch des deutschen HipHop ohne die Asiatic Warriors vonstatten. Mitte der Neunziger trennte man sich. Während D-Flame, die zweite zentrale Figur der Warriors, mittlerweile mit Reggae solide Erfolge feiert, ging Azad den eingeschlagenen Weg so konsequent weiter, dass er jahrelang nur hinter den Kulissen werkelte und erst Ende 2000 sein Debut-Album „Leben“ herausbrachte. Auf dem finden sich über reduzierten Beats nicht nur die erwarteten Battle-Rhymes, nicht nur das Hohelied auf HipHop als Lebensentwurf, sondern auch eindringliche Berichte aus seiner Vergangenheit und dem Alltag seiner Zuhörerschaft, die sich immer noch in Jugendhäusern und Sozialprojekten tummelt.

Das Album bekommt inmitten des Höhepunkts des HipHop-Booms wenig Presse, noch weniger Airplay und bleibt kommerziell hinter den Erwartungen zurück. Womöglich, weil Azad, im Gegensatz zum ungleich erfolgreicheren Kollegen Kool Savas, zwar mittlerweile ausschließlich deutsch rappt, aber weiterhin seinen Migrantenhintergrund thematisiert. „Vielleicht würde Savas weniger Platten verkaufen, wenn er ein Wort über seine Herkunft als Deutsch-Türke verlieren würde“, meint der ehemalige Mitstreiter D-Flame, „da muss man Azad Props geben, dass er seine kurdische Identität nicht verliert.“ Auf „Leben“ tauchen als Gäste denn auch nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Curse, Kool Savas und die Kumpels aus der Nordweststadt auf, sondern eben auch die kurdische Sangeslegende Naser Razzazi.

Den Status, den sich Azad bei Kollegen und vor allem auf den Schulhöfen von Kreuzberg oder Hasenbergl erworben hat, festigt sein aktuelles Album „Faust des Nordwestens“. Dort reimt der Rapper Azad, obwohl mittlerweile Vater, gewohnt ungehobelt, hat der Produzent Azad seine Tracks mit schweren Orchester-Samples noch einmal einige Schattierungen düsterer gestaltet, und trotz einiger Ausfälle doch einen guten Teil der Eindringlichkeit des Debüts erhalten. Die Arbeitsplatzbeschreibung bleibt also die alte.

Morgen, 16. 7., 20 Uhr, Tränenpalast, Reichstagufer 17, Mitte