Hilfe wie der Blitz

Hörgeschädigte, Schwerhörige und Ertaubte haben am Arbeitsplatz oft mit unnötigen Problemen zu kämpfen. Der Fachdienst für Hörgeschädigte hilft – mit technischen Tricks und klärenden Gesprächen. Und das seit 10 Jahren

„LippenleserInnen können maximal die Hälfte aller Laute eindeutig erkennen“

Bremen taz ■ Manchmal schützt bereits ein kleiner Blitz vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Ein aufgeregt blinkendes Lämpchen, gekoppelt an die Klingel, das Telefon, oder, wie in diesem Fall, an die Industriewaschmaschine. Auch die stößt ihr Warnsignal im Normalerfall nämlich akustisch aus, schrill für die meisten, für die hörgeschädigte ArbeitnehmerIn aber nicht wahrnehmbar. „Sie können hier nicht arbeiten“, heißt es dann. Kann sie aber doch. Und zwar dank der Unterstützung durch den berufsbegleitenden Fachdienst für Hörgeschädigte. Der installierte das Blinklicht, das immer blitzt, wenn die Maschine piept – Arbeitsplatz gerettet.

Gestern feierte die vom Landesverband der Gehörlosen im Land Bremen getragene Einrichtung, die Hörgeschädigte wie Arbeitnehmer gleichermaßen berät, ihren zehnten Geburtstag. Mindestens genauso wichtig wie die technischen Hilfsmittel, die der Fachdienst Arbeitnehmern kostenlos zur Verfügung stellt, ist in vielen Fällen die Aufklärungsarbeit unter KollegInnen und Arbeitgebern, Motto: „Was hört unsere schwerhörige Kollegin?“ Selbst geübte LippenleserInnen, sagt Fachdienst-Mitarbeiterin Karin Wiechard, könnten maximal die Hälfte aller Laute eindeutig erkennen – und auch das nur, wenn keine Hand, kein Bart und keine Zigarette die Mundbewegungen verdecke. Den Rest des Inhalts müsse sich der oder die LippenleserIn aus dem Kontext erschließen, im ungünstigsten Fall schlicht raten. KollegInnen und Vorgesetzte, so Wiechards Erfahrung, seien sich dessen selten bewusst. Sie gingen meist davon aus, dass der lippenlesende Kollege alles verstehe – und wunderten sich, wenn es zu Missverständnissen komme. Bei Teambesprechungen, fordert Wiechard, sollten daher grundsätzlich Gebärdendolmetscher anwesend sein.

Gut 60 Hörgeschädigte betreut der Fachdienst dauerhaft, dazu kommen rund 150 Einzelberatungen im Jahr. Lob kam gestern von Ulrich Hase, Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderung des Landes Schleswig-Holstein und zugleich Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft zur Förderung der Gehörlosen und Schwerhörigen e.V. Nicht nur, dass die Bremer Einrichtung auf Initiative von Betroffenen gegründet wurde und von daher mit den Problemen Hörgeschädigter am Arbeitsplatz eng vertraut sei. Auch die Strategie, einen eigenen Fachdienst speziell für die berufliche Integration von Menschen mit Hörbehinderung zu schaffen, habe sich als richtig erwiesen. Andere Regionen, die auf einen gemeinsamen Dienst für alle Arten von Integrationshilfen gesetzt hätten, würden dies inzwischen wieder rückgängig machen, berichtete Hase. Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) sicherte zu, dass der Hörgeschädigten-Fachdienst auch künftig als eigenständige Einheit erhalten bleiben solle.

Der berufsbegleitende Fachdienst für Hörgeschädigte ist übrigens auch ein Beispiel für eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen Bremen und umzu. Seine Dienste bietet er genauso den Hörgeschädigten in den niedersächsischen Landkreisen Osterholz, Verden und Diepholz (nördlicher Teil) an. sim