La Bella Bochum

Italien wird U21-Europameister und Trainer Gentile lobt die hervorragende taktische Ausbildung seiner Nachwuchskicker, lässt aber dann doch nur den lieben alten Catenaccio wieder aufleben

AUS BOCHUM HOLGER PAULER

Kein Vergleich zum bisherigen, eher öden und von der Öffentlichkeit kaum beachteten Turnierverlauf. Das Finale der U21-Europameisterschaft der Fußballjunioren entschädigte für vieles: Gut 20.000 Zuschauer im Bochumer Ruhrstadion bekamen zwei Jahre vor der WM einen netten Aperitif gereicht, es war fast wie bei den Großen. Das Spiel, die Atmosphäre und auch das Ergebnis: Italien besiegte Serbien Montenegro mit 3:0. Nur irgendwann wollten die serbischen Fans dann auch noch ein wenig Krieg spielen. Zu Beginn der zweiten Hälfte beschossen sie den Rasen mit bengalischem Feuer. Das Spiel schien für kurze Zeit außer Kontrolle zu geraten. Doch die eilig herbeigerufene Ordnungsmacht bekam die Pyroshow schnell in den Griff. Bleibt zu hoffen, dass die Uefa die Ausschreitungen nicht wieder dazu benutzt, die unsägliche Stehplatzdiskussion zu eröffnen. Immerhin standen die serbische Fans in der Ostkurve – einer reinen, bei internationalen Spielen eigentlich nicht zugelassenen Stehtribüne.

Wahrscheinlich brachten die serbischen Fans auch nur ihre Hilflosigkeit zum Ausdruck, denn zu diesem Zeitpunkt war das Spiel eigentlich schon längst gelaufen. In der 31. Minute erzielte Daniele de Rossi nach einem Eckball den Führungstreffer. Zwei Minuten später holte sich Serbiens Dejan Milovanovic die gelb-rote Karte ab. An der Mittellinie, am Rande des Spielfelds. Zehn Meter Anlauf, Ball und Gegner im Blick. Er traf nur Letzteren. „Verdient“, fand selbst sein Trainer Vladimir Petrovic.

Für die Italiener war es der Anlass, ihren humorlosen Abwehrriegel zu erweitern. Trainer Claudio Gentile schwor seine Spieler zur Halbzeit ein: „Wir müssen Geduld haben.“ Hatten sie. Trotz optischer Unterlegenheit kamen sie nie wirklich in Gefahr. In den letzten sieben Minuten manifestierten Cesare Bovo und Topscorer Alberto Gilardino den Sieg.

Der sechste EM-Titel war die Krönung eines zweiwöchigen Steigerungslaufs. Zu Beginn des Turniers musste die Squadra Azzura noch eine verdiente Niederlage gegen die Weißrussen hinnehmen. Danach folgten minimalistisch holprige Vorrundensiege über Serbien Montenegro und Kroation. Im letzten Vorrundenspiel drohte sogar das Aus. Das italienische Team verwaltete im letzten Vorrundenspiel allzu sicher eine 1:0-Führung und war in der letzten Minute vom Unvermögen gleich mehrerer kroatischer Angreifer abhängig. Claudio Gentile kümmerte das wenig. Der Weltmeister von 1982 hat den Catenaccio verinnerlicht.

Ab dem Halbfinale funktionierte das klassische italienische Fußballbehinderungssystem immer besser: Sieben bis neun defensiv ausgerichtete Spieler und vorne lauert mit Alberto Gilardino der überragende Akteur des Turniers. Vier Tore hat der bei der EM erzielt, 23 in der abgelaufenen Saison der Serie A. Die Zukunft hat begonnen. „Der Titel ist ein Beweis für die großartige, taktisch ausgerichtete Jugendarbeit“, sagte Gentile.

Überhaupt zeigte er sich sehr zufrieden. Er habe in den letzten 14 Tagen zwar nicht viel Zeit gehabt, um Bochum zu erkunden, „aber was ich gesehen habe, hat mir gefallen“, sagte er. Er habe sehr viele Landsleute getroffen. Im Finale waren es wohl 8.000. Ähnlich viele drückten dem serbischen Team die Daumen. Die Atmosphäre war nicht immer friedlich, trotzdem kam es vor dem Stadion zu keinen nennenswerten Ausschreitungen.

Der DFB, in Gestalt von Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder anwesend, zeigte sich dann auch vorsichtig zufrieden. Mit Großveranstaltungen habe man keine Probleme, so ein Sprecher des DFB. Vor allem dann, wenn die Uefa nicht dazwischenfunkt. Ganz unbürokratisch hatte Europas Fußballverband dafür gesorgt, dass alle Willigen noch ins Stadion kommen – auch auf die Stehplätze. Die erlaubte Auslastung wurde dort mal eben von 20 auf 50 Prozent angehoben. Kann sein, dass darunter auch ein wenig die Kontrollen litten.