Kongos Diamantenchef international gesucht

Jean-Charles Okoto soll die Konten von Kongos größter Diamantenfirma geleert haben, um Waffen zu kaufen. Jetzt hat Belgien Haftbefehl erlassen. Es ist die bisher spektakulärste Folge der UN-Recherchen zur Ausplünderung des Kongo

BRÜSSEL taz ■ Ein belgischer Untersuchungsrichter hat einen internationalen Haftbefehl gegen einen engen Vertrauten des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila erlassen. Jean-Charles Okoto, 1998–99 Außenminister des Kongo unter Laurent Kabila und dann bis 2002 Präsident der mehrheitlich staatlichen größten kongolesischen Diamantenfirma Miba (Minière de Bakwanga), wird Unterschlagung, Geldwäsche, Entführung und versuchte Entführung vorgeworfen.

Insgesamt 80 Millionen Dollar soll Okoto während seiner Zeit bei der Miba veruntreut haben – ungefähr der Wert der Jahresproduktion des Kongo an Diamanten. 20 Millionen davon sollen im Jahr 2001 zum Kauf von Waffen in der Ukraine und Tschechien gedient haben. Weil diese Gelder über die belgische Bank „Belgolaise“ flossen, hat der belgische Richter Michel Claise auch gegen Belgolaise-Vorstandschef Marc-Yves Blanpain und vier seiner Mitarbeiter Ermittlungen eingeleitet.

Okoto war bereits im Oktober 2002 von der UN-Kommission zur Untersuchung der illegalen Ausplünderung der natürlichen Ressourcen des Kongo als Mitglied eines „kriminellen Netzwerks“ zur Ausplünderung kongolesischer Staatsbetriebe zugunsten der Kabila-Elite genannt worden. Er hatte daraufhin seinen Posten verloren. Heute ist er Nationalsekretär von Kabilas Partei PPRD (Volkspartei für Wiederaufbau und Entwicklung), zuständig für Mitgliederwerbung und -schulung im Vorlauf der für 2005 geplanten Wahlen.

Die UN-Ermittler verfügten über schriftliche Beweise gegen Okoto: zum Beispiel eine Anweisung, 1,5 Millionen Dollar aus Miba-Konten auf ein Konto der ukrainischen Rüstungsfirma Ukroboron Service in Kiew zu überweisen, oder eine andere über 538.300 Dollar für die tschechiche Thomas CZ in Prag. Da diese Summen über Belgien gelaufen waren, hatte die für Finanzdelikte zuständige Abteilung der Brüsseler Staatsanwaltschaft im Januar 2003 Ermittlungen eingeleitet, die weitere Erkenntnisse erbrachten. Der nun erfolgte Haftbefehl ist die erste international wirksame Konsequenz aus den UN-Untersuchungen zur Ausplünderung des Kongo, die bisher mit Rücksicht auf den Friedensprozess mehr oder weniger folgenlos geblieben waren.

Es gibt aber noch gravierende Anschuldigungen gegen Okoto. Er soll in die Entführung des zweithöchsten Miba-Vertreters in Brüssel am 2. April verwickelt sein. Zwei kongolesische Verdächtige wurden in dieser Affäre Anfang Juni in einem Vorort von Brüssel festgenommen. Sie haben zugegeben, einer kongolesischen Schlägertruppe namens „Black Demolition“ anzugehören, und nannten Okoto als ihren Auftraggeber. Der Entführte sollte unter Zwang preisgeben, was er der belgischen Polizei über die kriminellen Machenschaften in der Miba gesagt hatte.

Und schließlich soll Okoto auch die Entführung einer der bekanntesten Persönlichkeiten der belgischen Geschäftswelt geplant haben: Etienne Davignon, früherer EU-Kommissar und heute Geschäftsführer der französischen Suez-Gruppe. Als Okoto die Miba leitete, führte Davignon die belgische Industrieholding „Société Générale de Belgique“ (SGB), die einen 20-prozentigen Anteil an der Miba hält und inzwischen von Suez übernommen worden ist. Daher war er nicht zufrieden damit, wie Okoto den Betrieb ausplünderte und im Jahr 2000 wichtige Diamantenreserven an die mit Generälen aus Simbabwe liierten Unternehmen Oryx und Comiex übergab. Aus der Entführung wurde aber nichts.

Sollte der belgische Haftbefehl jemals vollstreckt werden, ist es unwahrscheinlich, dass Okoto allein die Verantwortung für alle die Beschuldigungen gegen ihn übernimmt. Alles deutet darauf hin, dass er auf Anweisung der Kabila-Regierung handelte. Und da gibt es politische Rücksichtnahmen, denn dass Joseph Kabila unantastbar bleibt, gilt in der internationalen Gemeinschaft als Bedingung für den Erfolg des Kongo-Friedensprozesses. Damit mag es zusammenhängen, dass die belgische Justiz jenseits der 20 Millionen Dollar für Rüstungskäufe nichts über den Verbleib der anderen 60 Millionen Dollar preisgibt.

FRANÇOIS MISSER