ROT-GRÜN REDET ÜBER STEUERN UND MEINT EIGENTLICH PARTEIPOLITIK
: Die Münchhausen-Methode

So wird das jetzt den ganzen Sommer über gehen. Weil erst im Herbst damit zu rechnen ist, dass konkrete Gesetzesvorlagen für die beschleunigte Steuerreform auf den Tisch kommen, darf nun Halbgares veröffentlicht werden. Die neueste Runde im Fachdisput ist die „Selbstfinanzierung“. Experten verstehen darunter, dass eine saftige steuerliche Entlastung die Lust der Bürger aufs Geldausgeben derart reizen würde, dass die Steuereinnahmen des Staates letztlich steigen. Obwohl sie doch zunächst sinken. Ein Argument, das etwas Baron-von-Münchhausen’sches hat: Der Staat zieht sich am eigenen Schopf aus dem Haushaltsloch.

Für Rot-Grün hat es mehr politischen denn finanztechnischen Sinn, das Thema Selbstfinanzierung anzusprechen. Sie hält der Opposition so das nächste Stöckchen hin. Man wartet ja nur darauf, dass die Finanzleitwölfe der Union „unseriös“ plärren – und sich damit einmal mehr selbst widersprechen. Denn aus ihren, den Reihen der CDU, kam einst eine Radikalreform der Steuern, die sich mirakulös finanzieren sollte. 120 Milliarden Mark wollte sie den Bürgern schenken – und satte 43 Milliarden durch Aufschwung hereinholen.

In der Steuerfrage gerät die Union, obwohl sie demoskopisch unangreifbar scheint, zusehends in die Verliererrolle. Die Protagonisten des ersten schwarzen Steuerdesasters – allen voran Friedrich Merz, aber auch Angela Merkel und „Stimmführer“ Edmund Stoiber – tragen immer noch das Mal der Niederlage auf der Stirn. Schröder brachte es ihnen bei, als er im Sommer 2000 ein aussichtslos scheinende Steuerabstimmung im Bundesrat gewann, und das nach einer Serie von Wahlschlappen in den Ländern. Nach der Bundestagswahl 1998 war dies der wichtigste rot-grüne Sieg.

Drei Jahre später treibt der Kanzler mit der gleichen Steuerreform ein ähnliches Spiel – nun fordert er Roland Koch heraus. Dessen Aufbäumen – mögen seine Argumente landespolitisch noch so richtig sein – ist bundespolitisch inspiriert. Hat Schröder mit der vorgezogenen Steuerreform Erfolg, dann kann er der Union ungeheuer viel stehlen – und ganz besonders Koch. Wirtschaftspolitische Kompetenz, den Aufschwung – und die Sicherheit auf den Wahlsieg 2006. CHRISTIAN FÜLLER