Jutta Limbach soll es richten

Beratende Kommission zur Rückgabe geraubter jüdischer Kunstwerke konstituiert. Gefragt ist moralische Sensibilität

BERLIN taz ■ Gestern wurde ein neues, sicher letztes Kapitel in der Endlosgeschichte „Restitution während der Nazizeit geraubter jüdischer Kunstwerke“ aufgeschlagen. Es konstituierte sich ein Gremium, um dessen vollständige Namenswiedergabe die Staatsministerin Christina Weiss anlässlich einer Pressekonferenz dringlich ersuchte. Ihr Wunsch sei Befehl – der Name lautet: „Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz“.

So bürokratisch die Bezeichnung, so unbürokratisch sollen sich Ziel und Arbeitsweise der Kommission gestalten. Es soll ein Beratungsgremium sein, das sich ausdrücklich nicht mit den juristischen Aspekten der Rückgabe von Kunstwerken befassen wird. Die Kommission soll im Gegenteil erst nach Erschöpfung des Rechtswegs tätig werden und nur dann, wenn beide Seiten der Anrufung zustimmen.

Erwartet werden von den Kommissionsmitgliedern „faire und lebenskluge Lösungen“, so der sächsische Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz (CDU). Es soll um die „sensible Vermittlung“ der widerstreitenden Interessen von Erben bzw. Erbengemeinschaften einerseits, den deutschen Museen und Museumseinrichtungen andererseits gehen. Moralische Imperative sollen dort greifen, wo das geltende Recht keine Handhabe mehr bietet.

Besonders schwierig seien die Probleme dort gelagert, wo gutgläubiger Erwerb jüdischer Kunstwerke eine Rolle spiele oder wo „normale“ statt Zwangsversteigerungen stattfanden. Wie soll andererseits verfahren werden, wenn das umstrittene Kunstwerk einem kleinen Museum zu seinem Profil verhilft?

Die Schiedssprüche der Kommission werden reine Empfehlungen sein. Stets wird es um den Entscheid in Einzelfällen gehen, und stets wird der Anspruchsgegner die öffentliche Hand sein. Staatsministerin Weiss verwies auf eine Bund/Länder/Kommunen-Erklärung vom Dezember 1999, die die gemeinsame Trägerschaft für die Kommission festlegt. Verwiesen wurde auch auf die seit 1997 arbeitende Koordinierungsstelle, ferner auf die Internetdatenbank www.lostart.de. Hier werden Anfragen von Erben und „nachrichtenlose“ Kunstwerke zusammengeführt.

Die Arbeitsweise des Gremiums folgt keiner strikten juristischen Vorgabe. Bei der Auswahl der Mitglieder waltete das Honorationenprinzip: Berufen wurden von der Staatsministerin Weiss Elder Statesmen und Women mit Erfahrungen im kniffligen Grenzbereich von Recht und Moral: Juristen, Kunstsinnige und Historiker – insgesamt acht Weise, darunter allerdings kein Spezialist für „Beutekunst“. Den Vorsitz „ereilte“, wie sie sagte, Jutta Limbach, Chefin der Goethe-Institute und ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts.

Die Arbeit der Kommission soll keinesfalls die Aufgabe der Museen und Bibliotheken ersetzen, sich endlich einer Inventarisierung ihrer Bestände zu widmen, die die Suche nach der Herkunft der Kunstweke, ihrer „Provenienz“ einschließt. Diese Aufgabe gestaltet sich schwierig in solchen städtischen oder regionalen Museen und Bibliotheken, wo beispielsweise das Mobiliar, das Porzellan oder die Bücher jüdischer Familien übernommen wurden, ohne dass ihre Herkunft vor oder nach 1945 aktenkundig gemacht wurde.

Welchen Umfang wird die Arbeit der Kommission haben? In der Hauptsache wird es um wenig spektakuläre „Fälle“ gehen. Wohl unterrichtete Quellen raunen, dass das Wilhelm-Lehmbruck-Museum und die Erben eines in der Duisburger Galerie hängenden Gemäldes von Emil Nolde die Kommission zu einer Entscheidungsempfehlung anrufen werden. CHRISTIAN SEMLER