Kurden-Politikerin auf freiem Fuß

Die ehemalige Abgeordnete Leyla Zana wird nach zehn Jahren Haft vorläufig entlassen. Endgültige Entscheidung des obersten türkischen Gerichts im Juli erwartet

ISTANBUL taz ■ Mit drei weiteren ehemaligen kurdischen Abgeordneten wurde die prominenteste politische Gefangene der Türkei, Leyla Zana, nach zehn Jahren Haft gestern freigelassen. Der Oberste Gerichtshof entsprach damit einem Antrag ihres Verteidigers Yusuf Atalay.

Grundlage für ihre Haftentlassung ist eine Forderung der Generalstaatsanwaltschaft nach Annullierung ihrer erneuten Verurteilung vor zwei Monaten in einem Verfahren vor den mittlerweile abgeschafften Staatssicherheitsgerichten. Am 8. Juli will das Oberste Gericht bekannt geben, ob ein neues Verfahren gegen Zana eröffnet wird oder ihre Freilassung endgültig ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft hatte Zanas erneute Verurteilung in einem vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof erzwungenen Wiederholungsverfahren als falsch bezeichnet, weil das Staatssicherheitsgericht verschiedene Entlastungszeugen nicht gehört habe. Das Staatssicherheitsgericht war auch im Wiederholungsverfahren bei seiner Auffassung von 1994 geblieben, Zana habe die „terroristische Vereinigung PKK“ unterstützt. Diese Entscheidung hatte nicht nur die EU-Kommission scharf kritisiert, sondern sie hatte auch in der türkischen Regierung und Öffentlichkeit für Kopfschütteln gesorgt.

Der gestrige Tag wurde somit zu einem wahrhaft historischen Tag für die Kurden in der Türkei. Außer der Nachricht über die Freilassung Zanas war gestern auch erstmals nach 80 Jahren türkischer Republik im staatlichen Fernsehen eine Sendung in kurdischer Sprache ausgestrahlt worden. Die Reaktionen in den kurdischen Gebieten reichten von Begeisterung bis zu der nüchternen Feststellung, mit einer Fernsehsendung sei das Kurdenproblem noch nicht gelöst.

JÜRGEN GOTTSCHLICH