Beer hört auf – und niemand bedauert’s

Die Ankündigung der Grünen-Parteivorsitzenden, ihr Amt Ende 2004 abzugeben, wird allseits „begrüßt“

BERLIN taz ■ Angelika Beer hört auf – und niemand juckt es. Der angekündigte Rückzug der grünen Bundesvorsitzenden wurde gestern so aufgenommen, als sei es das Normalste der Welt. Der Bundesvorstand habe die neueste Karriereplanung seiner Vorsitzenden Angelika Beer „begrüßt und unterstützt“, teilte ihr Chefkollege Reinhard Bütikofer mit.

Eine interessante Formulierung. Schließlich hatte Beer gerade überraschend die Brocken hingeschmissen und erklärt, sie wolle nach Ablauf ihrer Amtszeit Ende 2004 nicht mehr kandidieren. Sie wolle sich künftig „ganz auf die parlamentarische Arbeit für Europa konzentrieren“, sagte Beer der Frankfurter Rundschau und gestand, dass sie die Kritik an ihrer Arbeit tief getroffen habe: „Natürlich tut manches weh, was man hört und liest.“

Noch schmerzlicher für Beer dürften nun aber die Reaktionen aus der eigenen Partei auf ihren Rückzug sein. Allseits ist Zustimmung zu hören. Selbst auf Nachfrage brachte Bütikofer gestern kein Wort des Bedauerns über die Lippen. Ob er sich denn bemüht habe, seine Kollegin zum längeren Verweilen zu überreden? „Ich werde ihnen jetzt nicht den Gang unserer Diskussion schildern“, wich Bütikofer aus und verwies erneut auf die Erklärung des gesamten Bundesvorstands, in der Beers Entscheidung „begrüßt und unterstützt“ wird. Immerhin stellte Bütikofer klar: Damit sei nicht der Rückzug Beers gemeint, sondern ihre Kandidatur für die Europawahl im nächsten Jahr – und ihre Bereitschaft, trotz der Doppelbelastung noch einige Monate bis zum Ende ihrer Amtszeit Grünen-Chefin bleiben zu wollen.

Fraglich ist nur, ob sie das kann. Die Aussicht auf eineinhalb Jahre mit einer Parteichefin auf Abruf löst bei vielen Grünen jedenfalls Unbehagen aus. Weshalb Bütikofer zu beschwichtigen versucht: „Angelika Beer ist keine lame duck.“ Natürlich weiß er aber: Beers ohnehin schwaches Erscheinungsbild wird sich kaum verbessern, wenn jeder weiß, dass sie bald abtritt.

Bütikofer mag das recht sein – je schwächer seine Chefkollegin, desto stärker erscheint er an ihrer Seite. Doch schon melden die ersten Grünen aus den Ländern ihre Bedenken an. Eine solch lange Vorlaufzeit vor einem Wechsel sei „nicht so schön“, sagte Carmen Lange, grüne Landeschefin in Mecklenburg-Vorpommern, der taz. Darüber müsse man „erst einmal eine innerparteiliche Diskussion führen“, findet der saarländische Landesvorsitzende Hubert Ulrich. Dass Beer nicht noch einmal antritt, sei jedenfalls „klug und konsequent“.

In der Partei dürfte das Hin-und-her-Geschiebe von Posten nun erst richtig losgehen. Die Frage nach Beers Nachfolge wird mit der Zukunft Joschka Fischers verknüpft. Wird er Europaminister – wer wird dann in Berlin Minister, wer neue Parteichefin?

Für Beer geht es jetzt vor allem darum, ob sie den erwünschten sicheren Listenplatz für die Europawahl bekommt. Die Vorentscheidung fällt auf dem Landesparteitag der schleswig-holsteinischen Grünen im August und bei einem Treffen der norddeutschen Grünen-Verbände Mitte September. Die Landesvorstände haben bereits Unterstützung signalisiert. Klar ist nur: Wenn sie keinen sicheren Platz bekommt, müsste sie wohl doch schon vor Ende ihrer Amtszeit gehen. „Ich weiß nicht, ob sie dann zurücktritt“, sagt Carmen Lange. „Aber gut sähe es nicht aus.“ So lange aber halten sich die möglichen Nachfolgerinnen wie Exchefin Claudia Roth noch zurück. LUKAS WALLRAFF