Entlastender Rausch

Prozess um den siebenfachen Mord von Sittensen zieht sich weiter hin: Gutachter soll Schuldfähigkeit klären

Eigentlich wollte Staatsanwalt Johannes Kiers im Prozess vor dem Landgericht Stade um den siebenfachen Mord im Sittenser China Restaurant „Lin Yue“ am Donnerstag mit seinem Plädoyer beginnen. Doch daraus ist wieder nichts geworden. Verteidiger Christian Rosse stellte den Antrag, einen weiteren Gutachter zu vernehmen, um die Schuldfähigkeit seines Mandanten zu klären.

Das Verbrechen sorgte im Februar 2007 für Entsetzen. Als ein Mann seine Frau kurz vor Mitternacht von der Arbeit abholen kommt, findet er im Lokal sechs Leichen. Ein Verletzer stirbt kurze Zeit später. Blutverschmierte Böden, gefesselte Opfer – ein Bild des Schreckens.

Das Betreiber-Ehepaar und fünf Mitarbeiter sterben durch Kugeln. Nur ein Kind überlebt zwischen den Leichen als stiller Zeuge.

Vor dem Landgericht müssen sich fünf Vietnamesen in einem Indizienprozess verantworten. Drei von ihnen sind wegen Mordes angeklagt, die beiden anderen wegen schweren Raubes. Wer in der Mordnacht geschossen hat, ist noch ungeklärt. Die Angeklagten schieben sich gegenseitig die Verantwortung für den Gewaltexzess zu.

Alkohol, Kokain und nun auch noch Cannabis, der Drogenkonsum von einem der Hauptangeklagten wirft nun die Frage nach einer verminderten Schuldfähigkeit auf. Laut Anwalt Rosse sollen Gutachter die Frage klären, in welchem Rauschzustand eine Feuerwaffe noch benutzt werden kann. „Ziel meines Antrages ist es, die Schuldfähigkeit meines Mandanten zu prüfen“, so Rosse.

Als der Vorsitzende Richter Hans-Georg Kaemena fragte, ob die Anträge zurückgezogen würden, wenn das Gericht die Frage einer verminderten Schuldfähigkeit in Betracht ziehen würde, kam Unmut bei Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Anwälten auf: „Eine Frage dieser Tragweite kann man nicht mal eben so beraten“, so der Einwand.

Seit Dezember wartet Staatsanwalt Kiers darauf, dass ihm das Wort für sein Plädoyer erteilt wird. Die neuen Anträge und die Plädoyers der zehn Verteidiger werden Tage dauern und lassen ein Urteil nicht vor März erwarten. Das Verfahren wird am Dienstag fortgesetzt. TAZ/DPA