Mangel vor Gericht

Gerichtspräsidenten warnen vor Einsparungen und Personalabbau: Rechtsprechung ernsthaft bedroht

HAMM taz ■ Die Qualität der Rechtsprechung ist durch drohende weitere Mittelkürzungen ernsthaft bedroht. Dies ist die Einschätzung aller Oberlandesgerichts-Präsidenten, die sich auf ihrer Jahrestagung in Hamm eingehend mit den immer knapper werdenden Ressourcen der Justiz beschäftigten.

Die Rationalisierungseffekte durch den Einsatz digitaler Technik seien ausgeschöpft, bei weiteren Personalkürzungen im richterlichen Bereich drohen Rechtseinschnitte, beschrieb der Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart, Eberhard Stilz, die angespannte Lage der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Er warnte vor einer Erosion auf vielen Gebieten, wenn der Personalabbau vorangetrieben werde: Zivilrichter würden in ihren jetzt schon hohen Aktenbergen regelrecht „absaufen“, immer mehr Strafverfahren gerieten in die Verjährung und die Gefahr, dass Untersuchungshäftlinge frei kämen, weil ihre Verfahren sich unendlich hinzögen, würde erheblich anwachsen.

Der Präsident des Bundesgerichtshofs, Günter Hirsch, befürchtet außerdem einen Qualitätsverlust der Rechtsprechung bei einer personellen Aushöhlung der Gerichte: „Wir müssen aufpassen, dass nicht nur auf die Geschwindigkeit bei der Erledigung der Rechtsstreitigkeiten abgestellt wird und die Gründlichkeit damit auf der Strecke bleibt.“

Auch die Förderung und Intensivierung des elektronischen Rechtsverkehrs, in NRW am Amtsgericht Olpe bei Scheidungsverfahren erprobt, ist nach den Worten des Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm, Gero Debusmann, zwar ein Schritt zur Anpassung der Justiz an das digitale Zeitalter. Gewaltige Entlastungen seien dadurch aber keineswegs zu erwarten. Der einzige Vorteil: Aktenberge werden durch elektronische Dateien ersetzt. KLAUS BRANDT