Angst vor dem Elend

Die Hammer Drogenhilfe zieht aus der Innenstadt aufs Land und wird zum Störfaktor der Einfamilienhausidylle

HAMM taz ■ Für die Zukunft sehen die Bewohner des Hammer Caldenhofs schwarz. In ihr kleines Viertel im Grünen soll die Drogenhilfe KESH ziehen, zwischen die Einfamilienhäuser der gehobenen Preisklasse. Hinter denen findet man vor allem viel Natur – und in einem malerischen Park das Haus Caldenhof der evangelischen Kirche, ab September mit neuem Untermieter.

14 obdachlose Drogensüchtige werden hier in einer betreuten Wohngruppe mit Methadon substituiert. Seit der Mietvertrag zwischen Kirchenkreis und Betreiber der Drogenhilfe, dem Arbeitskreis für Jugendhilfe (AFJ) im April unterzeichnet wurde, schlagen die Nachbarn Alarm. „Sie nehmen billigend in Kauf, dass kleine Kinder und Jugendliche durch gebrauchte Spritzen und zugedröhnte Fixer gefährdet werden“, schreibt ein Anwohner via „Westfälischer Anzeiger“ an die Kirche. Andere Leserbriefschreiber meinen: „Selbstverständlich brauchen wir betreute Wohngruppen für Drogensüchtige. Aber nicht in einem kleinstädtischen Wohngebiet mit vielen Kindern, sondern in Alleinlage weit draußen vor der Stadt.“

Eine weitere Befürchtung: Die Einrichtung werde Dealer anziehen. Rolf Buschkamp vom AFJ bezweifelt das stark: „Es wäre Quatsch für einen Dealer vor der Einrichtung zu warten, bis jemand rückfällig wird.“ Am alten Standort in der Hammer Innenstadt habe es keine Probleme mit Kriminalität gegeben. Das bestätigt auch die Polizei.

Ein Gespräch zwischen Kirchenkreis und Anwohnern sollte am Mittwoch die Wogen glätten. Auch darum hatte es im Vorfeld Ärger gegeben. Ein Teil der Anwohner hatte zu einer Demonstration aufgerufen, Superintendent Erhard Nierhaus sagte das Gespräch daraufhin ab. Die Anwohner gaben klein bei und es wurde geredet. Ergebnislos. KESH wird wie geplant die Arbeit aufnehmen, die Anwohner fürchten immer noch den Anblick des Elends. Ein bisschen Hoffnung hat der Superintendent trotzdem: „Eine Handvoll der Anwohner befürwortet inzwischen den Einzug von KESH.“

Vielleicht hilft ein Blick über den Tellerrand: Im münsterländischen Herbern hat der AFJ vor einigen Jahren eine alte Mühle gekauft und dort eine Drogenklinik etabliert. Nach anfänglichem Protest ist das Verhältnis zwischen Anwohnern und Klinik gut nachbarschaftlich geworden. Außerdem sorge die soziale Kontrolle im Dorf für Therapieerfolge, meint Klinikchef Karl Weber. Und eine Drogenszene hat Herbern immer noch nicht.

HARALD SCHÖNFELDER