Korpsgeist verurteilt

Hamburger Amtsrichter verurteilt Erfurter Polizisten zu 12 Monaten Freiheitsstrafe. Staatsanwalt: Thüringen hat handfesten Polizeiskandal

HAMBURG taz ■ Zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung hat das Hamburger Amtsgericht gestern drei Erfurter Polizisten verurteilt, die vorigen November auf einer Demo in Hamburg zwei Zivilkollegen aus Schleswig-Holstein verprügelt haben sollen. Dabei verhängte der Richter bewusst eine Strafe, der laut Gesetz die Entfernung der Beamten aus dem Staatsdienst folgen muss: Wegen des Missbrauchs ihres Gewaltmonopols „sollten Sie nicht mehr im Polizeidienst verbleiben“, hielt der Richter den Angeklagten vor. Er habe diese Entscheidung durch die Höhe der Strafe treffen müssen, da die Angeklagten aufgrund des offenkundigen „Korpsgeists“ der Thüringer Polizei von der dortigen Polizeiführung „keine einschneidenden disziplinarrechtlichen Folgen zu erwarten haben“.

Eben diesen Korpsgeist wollten die drei Verteidiger zugunsten ihrer Mandanten auslegen. Sie forderten Freispruch, weil die konkrete Tatbeteiligung der einzelnen Polizisten nicht hätte nachgewiesen werden können. Zugleich gaben sie an, die Angeklagten wären vorm zweiten Prozesstag zum Geständnis bereit gewesen, daran aber von der Erfurter Polizeiführung gehindert worden. Anwalt Ulfert Jährig deutete an, der leitende Polizeidirektor Roland Richter habe seinem Mandanten gesagt: „Wenn Sie gestehen, fliegen Sie raus.“

Der Staatsanwalt wies in seinem Plädoyer darauf hin, aufgrund der „Mauer des Schweigens“ und offensichtlicher Falschaussagen von Erfurter Polizeiführern vor Gericht bereits Ermittlungsverfahren gegen einen Gruppenführer eingeleitet zu haben und auch ein Verfahren gegen den leitenden Polizeidirektor Richter zu erwägen. „In welchem Zustand ist eigentlich die Thüringer Polizei, wenn sie Straftäter in ihren eigenen Reihen deckt?“ Thüringen habe „einen handfesten Polizeiskandal“, und erstaunlich sei, dass es dort noch niemand mitbekommen habe. Er forderte Strafen von einem Jahr und drei Monaten. „Polizeibeamte, die dermaßen in Korpsgeist verhaftet sind und aus diesem auch nicht ausbrechen wollen, haben im Polizeidienst nichts zu suchen“. Die Verteidiger wollen Rechtsmittel einlegen. ELKE SPANNER