berliner szenen Teller für zwei

Lächeln und Abgang

Er starrte mich an, erzählte sie. Ich saß da, beim Libanesen in der Adalbertstraße, dauernd ging die Tür. Es zog wie Harry, sagte sie. Ich saß da am Tisch und hatte vor mir einen Schawarma-Teller, so ein Menü für 7 Euro, das schon fast für zwei reicht. Für zwei, wiederholte ich. Für zwei, für zwei Leute, ja, sagte sie. Und dann kam der Typ rein, bestellte sich ein Falafel-Sandwich, platzierte sich mir gegenüber und starrte mich die ganze Zeit unverhohlen an. Obwohl, so unverhohlen war das gar nicht. Denn immer, wenn ich von meinem Buch oder von meinem Teller aufgeschaut habe, sagte sie, schaute er weg. Er schaute immer nur, wenn ich nicht schaute! Ich fragte mich, was das bringen sollte. Er sprach auch nicht, und ich hatte meistens den Mund voll und hatte auch gar keine Lust zu sprechen.

Also las ich weiter. Du hast gelesen, fragte ich, was denn? „On the Road“ von Jack Kerouac, auf Englisch, sagte sie nicht ohne Stolz. Aha, machte ich, wollte aber nicht weiter fragen, weil ich dieses Buch noch immer nicht gelesen habe. Von den Beatniks hatte ich nach einigen Bukowskis, Burroughs und Ginsbergs genug. Zu Kerouac reichte es nie. Wie sah der Typ denn aus? Eigentlich ganz nett, sagte sie, natürlich älter als ich, mit einem Piercing durch die Unterlippe, da stehe ich ja normalerweise überhaupt nicht drauf, ein kleines Tattoo hatte er wohl auch, auf dem Unterarm, ein Vampir war das oder ein Schmetterling oder irgendwas mit Flügeln jedenfalls. Gut, und wie ging die Geschichte jetzt aus? Der ist irgendwann raus, hat sich noch mal umgedreht, um mich anzulächeln, das hat mich dann doch verdattert. Ich hatte überlegt, raus und hinterher, aber dann dauerte das so lange mit dem Bezahlen, und da war er schon weg. Schade, sagte ich. Ja, sagte sie. RENÉ HAMANN